Opposition macht Druck im britischen Abhörskandal
London (dpa) - Im Abhörskandal der Zeitung „News of the World“ fürchtet die britische Opposition die Zerstörung von Beweisen und Dokumenten und fordert deshalb eine schnelle Untersuchung.
Premierminister David Cameron müsse sicherstellen, dass noch an diesem Wochenende konkret Mitglieder für einen richterlichen Untersuchungsausschuss bestimmt würden, hieß es in einem am Samstag veröffentlichten Brief der sozialdemokratischen Labour-Partei an den Regierungssitz Downing Street 10.
Zuvor hatten mehrere Medien berichtet, die Polizei gehe dem Verdacht nach, bei dem Boulevardblatt könnten Millionen von internen E-Mails gelöscht worden sein, um die Polizeiermittlungen einzuschränken. Ein Sprecher des hinter „News of the World“ stehenden Verlags News International, der zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehört, bezeichnete die Berichte als „Quatsch“.
Camerons Büro teilte mit, man handle „so schnell wie möglich und wie es juristische erlaubt ist“ und sei bereits auf der Suche nach einem Richter für einen Untersuchungsausschuss. Vermutlich werde es am kommenden Mittwoch Gespräche zwischen Cameron und Labour-Chef Ed Miliband geben.
Cameron war unter Druck geraten, nachdem sein früherer Berater Andy Coulson festgenommen worden war. Coulson war zu der Zeit, in der Journalisten die Handys von mutmaßlich bis zu 4000 Menschen angezapft haben könnten, Chefredakteur bei „News of the World“. Er kam am späten Freitagabend auf Kaution frei und muss im Oktober erneut bei der Polizei erscheinen.
Cameron hatte angekündigt, nach der derzeit laufenden polizeilichen Untersuchung solle eine unabhängige Kommission dem Skandal auf den Grund gehen. Der Premier kündigte zudem einen Ausschuss an, der die enge Verbindung zwischen Politik und Presse im Vereinigten Königreich beleuchten und die dahinter stehende Ethik sowie die Praktiken untersuchen soll.
Der Präsident der Liberaldemokraten, Tim Farron, sagte, die Festnahme von Coulson werfe ein schlechtes Licht auf Cameron. Die „LibDems“ bilden derzeit die Koalitionsregierung mit den konservativen Tories von Cameron. Sowohl die Tories als auch Labour hätten über die Jahre immer wieder versucht, sich Murdoch anzubiedern und seine Unterstützung zu bekommen.
Medienberichten zufolge wurde Medienmogul Murdoch am Samstag in London erwartet. Der 80-Jährige wolle die Zeitung persönlich abwickeln, hieß es. Von ihm selber hatte es seit der Eskalation des Skandals Ende der Woche keine offizielle Erklärung mehr gegeben. Für ihn steht in Großbritannien die Millionenschwere Übernahme des britischen Senders BSkyB, für die er seit langem kämpft, auf dem Spiel.
Am Freitagabend hatte sich die Lage weiter zugespitzt. Mittlerweile gibt es neben Coulson sowie dem früheren Königshaus-Reporter Clive Goodman einen weiteren Verdächtigen, der festgenommen wurde. Alle drei Männer sollen auf Kaution frei sein.
Unterdessen wies Managerin Rebekah Brooks Forderungen nach ihrem Rückzug aus dem Vorstand von News International zurück. Sie soll von den Hacker-Aktionen bei „News of the World“ gewusst haben, als sie dort Chefredakteurin war. Brooks sagte am Freitagabend vor Mitarbeitern, sie werde dabeibleiben, um den Ruf des Verlages wiederherzustellen. Zu Spekulationen, der Verlag werde bald eine neue Sonntagszeitung unter dem Dach des „News of the World“-Schwesternblattes „The Sun“ herausbringen, äußerte sie sich nicht.
Indirekt signalisierte sie, dass noch weitere dramatische Entwicklungen enthüllt werden könnten. Eine Mitarbeiterin, die bei dem Treffen dabei war, berichtete, Brooks habe gesagt, dass in einem Jahr alle verstehen würden, warum die 168 Jahre alte Zeitung geschlossen wurde.