Opposition wütend über Nein der Regierung zu Snowden-Befragung
Berlin (dpa) - Die Opposition will das Nein der Bundesregierung zu einer Vernehmung des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden in Deutschland nicht hinnehmen. Die Grünen kündigten erneut an, notfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um eine Vernehmung in Berlin durchzusetzen.
Die Linke warf der Regierung vor, sie wolle mit ihrem Gutachten Druck auf die Abgeordneten im NSA-Untersuchungsausschuss ausüben.
Der 27-seitige Bericht der Regierung erreichte das Gremium am Freitagmittag. Wesentliche Passagen waren aber schon zwei Tage zuvor an die Öffentlichkeit gelangt. Der Ausschussvorsitzende, Patrick Sensburg (CDU), äußerte sich verärgert darüber.
Vor etwa einem Jahr war bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst NSA und andere ausländische Nachrichtendienste im großen Stil deutsche Daten abgeschöpft haben. Snowden hatte geheime Dokumente der National Security Agency (NSA) an Journalisten übergeben und die Affäre damit öffentlich gemacht. Der Ausschuss soll die Vorgänge aufarbeiten.
Die USA suchen Snowden per Haftbefehl, vorübergehend hat er Asyl in Russland. Die Opposition will ihn für eine Aussage nach Deutschland holen. Der Untersuchungsausschuss hatte die Regierung aufgefordert, bis zu diesem Freitag Stellung dazu zu nehmen, ob und unter welchen Umständen eine Vernehmung des Amerikaners in Berlin möglich wäre.
In ihrem Bericht für den Ausschuss lehnt die Regierung eine Befragung Snowdens in Deutschland aus rechtlichen und politischen Gründen ab. Unter anderem heißt es darin, ein solcher Schritt würde sehr wahrscheinlich zu schweren und dauerhaften Belastungen der deutsch-amerikanischen Beziehungen führen. Denkbar wäre aber eine Befragung des Amerikaners im Ausland. Öffentlich wollte die Regierung den Bericht nicht kommentieren. Das gebiete der Respekt vor dem Parlament, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz.
Bereits am Mittwoch war der Regierungsbericht in wesentlichen Teilen öffentlich geworden. Mehrere Ausschussmitglieder äußerten sich erbost darüber. Sensburg beklagte: „Das ist nicht die Art, wie es laufen sollte.“ Die Stellungnahme an sich nannte der Ausschussvorsitzende aber nachvollziehbar und rechtlich einwandfrei. „Das müssen wir hinnehmen“, sagte er der dpa. Der CDU-Politiker warb dafür, nun eine Video-Befragung Snowdens anzugehen. Entscheidend sei, dass die Ausschussarbeit weitergehe und sich das Gremium nicht blockiere.
Angehängt an den Bericht sind zwei Gutachten aus den USA und Großbritannien zur dortigen Rechtslage. Im US-Gutachten einer Washingtoner Kanzlei wird argumentiert, der Ausschuss würde sich nach US-Recht durch eine Vernehmung Snowdens strafbar machen. Dies wiederum wies Sensburg als unsinnig zurück. „Dann könnten wir die Arbeit gleich einstellen“, sagte er. „Das wird uns nicht abhalten.“
Die Opposition äußerte sich insgesamt empört über das Vorgehen und die Argumentation der Regierung. Die Linke-Obfrau im NSA-Ausschuss, Martina Renner, sagte im Deutschlandfunk, die Regierung versuche mit ihrem Gutachten Druck auf die Parlamentarier zu machen und eine Drohkulisse aufzubauen. Eine Befragung in Russland - per Videoschalte oder durch eine Reise des Ausschusses - komme für die Linke nicht infrage. Snowden könne in Russland nicht frei aussagen.
Auch Hans-Christian Ströbele, der für die Grünen im NSA-Ausschuss sitzt, reagierte empört. „Das Ganze ist ein Stück aus dem Tollhaus“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Nun wolle man die Aufklärer kriminalisieren. „Das kann ich nicht ernst nehmen.“ Ströbele drohte damit, notfalls nach Karlsruhe zu ziehen, um eine Befragung Snowdens in Berlin zu erreichen.
Sensburg äußerte Zweifel an den Plänen: „Die Opposition muss sich gut überlegen, ob sie den Rechtsweg einschlägt. Ich wäre da skeptisch.“
Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die selbst Opfer der NSA-Ausspähungen wurde, ist an diesem Freitag zu Besuch in Washington und trifft sich dort mit US-Präsident Barack Obama. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben durch die NSA-Affäre sehr gelitten. Die Amerikaner wären wenig erfreut, wenn Snowden für eine Vernehmung nach Deutschland käme.