Pakistan bleibt bei Boykott der Afghanistan-Konferenz
Bonn (dpa) - Alle diplomatischen Bemühungen waren vergebens, Pakistan wird nicht an der Afghanistan-Konferenz in Bonn teilnehmen. Der afghanische Präsident Karsai geht trotzdem davon aus, dass das Treffen von 85 Staaten und 16 internationalen Organisationen ein Erfolg wird.
Die pakistanische Außenministerin Hina Rabbani Khar bekräftigte die Absage wegen des Nato-Angriff auf pakistanische Militärposten am Freitag in einem Telefonat mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Der afghanische Präsident Hamid Karsai traf unterdessen in Bonn ein und zeigte sich zuversichtlich, dass die Konferenz ein Erfolg wird. Westerwelle sicherte ihm die langfristige Unterstützung der Staatengemeinschaft zu: „Sie können sich auf uns verlassen.“
Bei der Konferenz will die Staatengemeinschaft am Montag die Weichen für die Zukunft Afghanistans nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 stellen. Karsai ist offiziell Vorsitzender des eintägigen Treffens, bei dem rund 1000 Delegierte aus 85 Ländern und von 16 internationalen Organisationen beraten wollen. Dabei geht es um die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen, die Bemühungen um Friedensgespräche mit den Taliban, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Stabilisierung der gesamten Region.
Die Regierung in Islamabad hatte ihre Teilnahme am Dienstag drei Tage nach dem Nato-Angriff abgesagt, bei dem nach ihren Angaben 24 pakistanische Soldaten getötet wurden. In den vergangenen Tagen hatte es diplomatische Bemühungen auf allen Ebenen gegeben, um Pakistan doch noch umzustimmen - vergeblich. Khar wünschte der Konferenz in dem Gespräch mit Westerwelle nach Angaben des Auswärtigen Amts trotzdem viel Erfolg und versicherte die Bereitschaft ihres Landes, an dem regionalen Stabilisierungsprozess weiter mitzuwirken. Aus der deutschen Delegation hieß es, die Außenministerin habe einen baldigen Deutschlandbesuch angekündigt.
Die Absage Pakistans ist ein Rückschlag für die Konferenz. Die Atommacht hat eine Schlüsselrolle in der Region. Das Grenzgebiet zu Afghanistan gilt als Rückzugsraum der Taliban. Auch die Führung der Aufständischen wird in Pakistan vermutet. Eine Stabilisierung der Region ist ohne Pakistan kaum möglich.
Nach dem Angriff der Nato-geführten Schutztruppe Isaf drohte Pakistans Armeeführung Medienberichten zufolge damit, im Wiederholungsfall das Feuer zu erwidern. Armeechef Ashfaq Parvez Kayani habe den Kommandeuren im Grenzgebiet zu Afghanistan dazu die Erlaubnis erteilt, berichtete unter anderem die pakistanische Zeitung „Express Tribune“ unter Berufung auf ranghohe Militärkreise.
Ein Selbstmordattentäter der Taliban riss am Freitag vor einem US-Militärstützpunkt in der ostafghanischen Provinz Logar mindestens einen Zivilisten getötet. Etwa 60 weitere Menschen, die meisten davon ebenfalls Zivilisten, seien bei der Explosion der Autobombe verletzt worden, sagt ein Sprecher der Provinzregierung.
Die „Bild“-Zeitung (Freitag) und „Bild.de“ berichteten, Militär- und Geheimdienstdokumente belegten, wie pessimistisch die Bundeswehr Afghanistans Zukunft sehe. Nach Abzug der Nato-Kampftruppen würden die Anführer der Aufständischen von Pakistan aus nach Afghanistan zurückkehren, heiße es in einem als geheim eingestuften Papier der Bundeswehr. „Wenn die Isaf-Truppen das Land verlassen, wird es Bürgerkrieg geben“, wird aus einem Bericht des US-Militärs zitiert.
In Bonn begannen Sicherheitskräfte mit Vorbereitungen für einen Großeinsatz und Absperrungen der Konferenzorte. Insgesamt sollen in den nächsten Tagen rund 4000 Polizisten im Einsatz sein. Kriegsgegner besetzten am Freitag zwei Stunden lang Büros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn. Nach mehrfachen vergeblichen Aufforderungen, das Haus im ehemaligen Regierungsviertel zu verlassen, wurden die Demonstranten schließlich von der Polizei aus dem Gebäude geleitet. Gegen 18 Personen wurde nach Polizeiangaben Strafverfahren eingeleitet.
Für Samstag ist in Bonn eine große Demonstration gegen den Afghanistan-Krieg geplant. An einem Forum der afghanischen Zivilgesellschaft nehmen Westerwelle und sein afghanischer Amtskollege Salmai Rassoul teil. Am Samstagabend spricht Westerwelle mit dem türkischen Außenminister Ahmed Davutoglu.