Pier Luigi Bersani: Ein Mann voller Tatendrang

Der Spitzenkandidat des italienischen Mitte-Links-Bündnisses, Pier Luigi Bersani, erobert wohl das Abgeordnetenhaus.

Rom. Die dicke toskanische Zigarre zwischen den Lippen, das ist eines der Markenzeichen von Pier Luigi Bersani. Künftig kann er sie wohl in ganz großer Runde paffen: Das Mitte-Links-Bündnis des 62-jährigen Politikers hat Prognosen zufolge die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Italien gewonnen. Als mutmaßlicher neuer Regierungschef wird Bersani damit künftig mit den Staats- und Regierungschefs der EU um den Kurs seines Landes ringen.

Italien steckt tief in der Krise, Bersani will diese mit einem Sparkurs mit Augenmaß überwinden. Im Wahlkampf präsentierte sich der Chef der Demokratischen Partei voller Tatendrang: Ohne Jackett und mit hochgekrempelten Ärmeln sprach und gestikulierte er vor seinen Anhängern. Und er konnte sie überzeugen: Die Urwahl für die Spitzenkandidatur gewann Bersani Anfang Dezember klar gegen seinen jungen Herausforderer Matteo Renzi. Bersani hat bereits eine Menge Regierungserfahrung und gilt gleichzeitig als bodenständig. Wie zum Beweis dafür hatte er im Oktober seine Kampagne für die Urwahl an der Tankstelle in seinem Heimatdorf gestartet, die seinem Vater einmal gehörte und in der er selbst als Student seine kargen Finanzen aufbesserte. „Wer keine Wurzeln hat, kann keine neuen Blätter produzieren.“

In Europa ist Bersani zwar deutlich weniger bekannt als der scheidende Regierungschef Mario Monti oder dessen medienaffiner Vorgänger Silvio Berlusconi. Doch zuletzt erwarb sich Bersani öffentliche Unterstützung von Frankreichs Staatschef François Hollande. Auch Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, und Belgiens Regierungschef Elio di Rupo gaben ihm Rückendeckung.

Geboren wurde Bersani im September 1951 im kleinen Bettola im Osten der Nordregion Emilia Romagna, einer Hochburg der Linken. Schon früh zog es den studierten Philosophen und kurzzeitigen Lehrer in die Politik und dort zur Kommunistischen Partei. Mit deren Auflösung und Umorientierung 1991 tat er es vielen Kollegen gleich und schloss sich der heutigen Demokratischen Partei an.

Einer Umfrage des Instituts Cise/Luiss zufolge gilt er vielen Italienern als „identitätsstiftende Seele“ der Linken. Im Jahr 1993 wurde Bersani Präsident seiner Geburtsregion und gab dieses Amt 1996 für den Posten des Industrieministers unter dem damaligen Regierungschef Romano Prodi auf. Später arbeitete er als Verkehrsminister und saß im Europäischen Parlament, bevor er in Prodis zweiter Regierung Minister für wirtschaftliche Entwicklung wurde. In dieser Zeit ging eine Reihe von Privatisierungen in vielen Sektoren auf sein Konto. Derzeit sitzt Bersani als Abgeordneter im Unterhaus.

Als Nachfolger von Monti würde er dessen Politik der „Disziplin und Glaubwürdigkeit“ fortführen, wie er wiederholt betonte. Zugleich will er eigene Akzente in der Beschäftigungspolitik und bei der sozialen Gerechtigkeit setzen. Das „drängendste“ Problem für Italien sind seiner Meinung nach mehr Investitionen und mehr Jobs. Im Bemühen um eine breite Anerkennung umgab Bersani sich in der Vergangenheit öfter demonstrativ mit jungen Beratern und Parteikollegen. Und der Chef der Sozialdemokraten förderte die Frauen innerhalb der Partei. Auch die katholischen Wähler umgarnte er: Nach seinen persönlichen Helden befragt nannte er den früheren Papst Johannes XXIII., sagte er jüngst im italienischen Fernsehen.