Platzhalter für die Mächtigen: Das Geschäft der Schlangesteher boomt

In Washington boomt das Geschäft für Schlangesteher. Sie werden von den Lobbyisten gebucht.

Washington. Es ist kurz nach neun Uhr vormittags im US-Kongress. Eric Hopkins, ein stämmiger Mann von 44 Jahren, tritt von einem Fuß auf den anderen. „Ich bin müde“, sagt er. Das Lächeln kommt ein bisschen gequält. Seit vier Uhr morgens steht er in einer langen Schlange in einem Nebengebäude des Parlaments. Seit über fünf Stunden wartet er schon, versucht seine Augen aufzuhalten. Noch eine Stunde muss er durchhalten.

Hopkins Beruf heißt „linestander“ — auf Deutsch: Schlangesteher. Wann immer im Kapitol oder im Supreme Court — dem höchsten Gericht der USA — eine wichtige Anhörung stattfindet, treten Hopkins und seine schätzungsweise mehr als 100 Kollegen in Aktion. Ihre Aufgabe ist es, in der Schlange vor dem Einlass für die mächtigen Lobbyisten einen Platz freizuhalten. „Die Leute sind so wichtig, dass sie ihre Zeit nicht mit Warten verplempern wollen“, erklärt Hopkins.

Fünf Stunden Warten sind für erfahrene „Steher“ eher eine Kleinigkeit. Richtig schwierig sei es gewesen, als es um die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama ging, berichtete Hopkins. „Drei Tage im voraus standen wir vor dem Supreme Court“, erzählt er. „Wir haben im Schichtbetrieb gearbeitet und zwischendurch im Auto geschlafen.“

Lobbys und Interessengruppen spielen in der amerikanischen Politik traditionell eine große Rolle — eine viel zu große, wie Kritiker meinen. Mit Millionen und Abermillionen Dollar nehmen die Lobbyisten Einfluss auf Politiker, umgarnen die Mächtigen.

Nur zeitraubendes Schlangestehen lieben die Herren Lobbyisten nicht. Zeit ist Geld. „Ohne uns müssten die Unternehmen ihre hoch bezahlten Mitarbeiter selbst in die Schlange schicken“, sagt Mark Gross. Gross ist Chef der Firma „qms — Quick Message Service“, nach eigenen Angaben Marktführer im Gewerbe der Schlangesteher. Mittlerweile tummeln sich eine Handvoll Unternehmen auf dem Markt in der Hauptstadt.

36 Dollar (28,50 Euro) pro Stunde zahlen die Lobbyisten etwa an „qms“. Das Unternehmen wurde 1985 gegründet. Mittlerweile stehen sich 50 Mitarbeiter regelmäßig die Beine in den Bauch.

Es sind meistens Studenten, Rentner oder Menschen, die zwischen zwei Jobs stehen. Nur die wenigstens machen es professionell wie Eric Hopkins. Er ist seit zwei Jahren dabei — und mittlerweile befördert. Er nennt sich jetzt „Supervisor“ bei „qms“.

„Der Job kann hart sein“, schildert Hopkins. Doch an diesem Morgen geht es glimpflich ab. Nach über fünf Stunden erscheint der Herr im dunklen Anzug, für den Hopkins den Platz freigehalten hat. „Endlich kann ich nach Hause ins Bett“, sagt er.