Polens Ex-Premier Mazowiecki tot
Warschau (dpa) - Polens erster demokratisch gewählter Ministerpräsident der Nachkriegszeit, Tadeusz Mazowiecki, ist tot. Der Bürgerrechtler und tief gläubige Katholik starb am Montag nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren.
Als Regierungschef während des Mauerfalls im November 1989 hatte sich Mazowiecki auch um die deutsche Wiedervereinigung verdient gemacht. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte ihn als großen Europäer. „Nicht nur Polen, sondern Europa verliert einen aufrechten Streiter für Demokratie und Freiheit.“
Während des Streiks auf der Danziger Lenin-Werft im Sommer 1980 gehörte Mazowiecki zu den Beratern des späteren Präsidenten Lech Walesa. 1989 nahm er an den Gesprächen am Runden Tisch teil, um den friedlichen Übergang vom Kommunismus zur Demokratie zu verhandeln. Als Ministerpräsident in den Jahren 1989/90 lag ihm daran, einen „dicken Strich“ unter die Vergangenheit zu ziehen. Gegner im Lager der Gewerkschaft „Solidarnosc“ warfen ihm damals vor, eine Abrechnung mit der kommunistischen Vergangenheit Polens zu verhindern.
Für seine Rolle beim friedlichen Wandel in Europa erhielt Mazowiecki im Jahr 2000 das Bundesverdienstkreuz. Die EU-Kommission würdigte ihn als einen der „Gründungsväter des wiedervereinigten Europas“. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ließ erklären, Mazowiecki sei „immer ein Freund der Deutschen“ gewesen. Kohl hatte die Nachricht vom Fall der Mauer am 9. November 1989 in Warschau bekommen, wo er damals bei Mazowiecki zu Besuch war.
Polens heutiger Präsident Bronislaw Komorowski würdigte Mazowiecki als Menschen, „der in den für Polen entscheidenden Momenten den Mut hatte, weise zu sein“. Aus Sicht des Ex-Präsidenten Walesa war Mazowiecki der „beste Regierungschef“, den Polen bislang hatte. Der amtierende Ministerpräsident Donald Tusk nannte ihn „einen der herausragendsten polnischen Politiker des 20. Jahrhunderts“.
Anders als die meisten Oppositionellen war Mazowiecki zu Zeiten des Kommunismus Mitglied des Parlaments - in den 1960er Jahren gehörte er der kleinen katholischen Abgeordnetengruppe „Znak“ an, die sich unter anderem für eine Aussöhnung mit Deutschland einsetzte. Eine „Versöhnungsmesse“ im November 1989 in Kreisau, an der Mazowiecki und Kohl teilnahmen, wurde zum Symbol des Brückenschlags zum westlichen Nachbarland, unter dessen Besatzung Polen im Zweiten Weltkrieg gelitten hatte.
Nach dem Ende seiner Zeit als Ministerpräsident war Mazowiecki zwischen 1992 und 1995 UN-Sonderbotschafter für den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien. Nach dem Massaker von Srebrenica, bei dem bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordeten, trat er von diesem Amt zurück.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schrieb in einem Beileidstelegramm: „Er hat mit seinem unermüdlichen Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung einen unvergessenen Beitrag für die Überwindung autoritären Unrechts und für die Einheit Europas geleistet.“ Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nannte Mazowiecki einen „großen Europäer“.