Pro-syrische Regierung des Libanon tritt zurück
Istanbul/Beirut (dpa) - Nach monatelanger Krise hat die pro-syrische libanesische Regierung ihren Rückzug angekündigt. Das Land ist gespalten in Unterstützer und Gegner des syrischen Assad-Regimes. Die Furcht vor einer Eskalation wächst.
Präsident Michel Suleiman nahm den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Nadschib Mikati an, wie aus dem Präsidentenpalast in Beirut verlautete.
Bis zur Bildung einer neuen Regierung soll Mikati im Amt bleiben. Das bisherige libanesische Kabinett hatte sich angesichts des immer brutaler werdenden Bürgerkriegs im Nachbarland zunehmend gespalten gezeigt. Nun wächst die Furcht vor einer Eskalation im eigenen Land.
Aktuelle Gründe für den am Freitagabend angekündigten Rückzug Mikatis waren Auseinandersetzungen im Kabinett um ein neues Wahlgesetz und der Streit um eine Verlängerung der Amtszeit von Geheimdienstchef Aschraf Rifi. Die westlich orientierte Opposition sieht in Rifi - der eigentlich in den Ruhestand gehen soll - einen Garanten für ihre Sicherheit. Im Libanon hat es in der Vergangenheit immer wieder Anschläge auf Kritiker der schiitischen, pro-syrischen Hisbollah oder Syrien-Gegner gegeben.
Auch Mikati hatte befürwortet, dass Rifi zumindest bis zur Parlamentswahl am 9. Juni noch im Amt bleibt. Die Hisbollah und ihre Verbündeten lehnten das aber ab. Beratungen zur Bildung einer neuen Regierung sollen Ende kommender Woche beginnen. Der sunnitische Geschäftsmann Mikati war seit Januar 2011 Ministerpräsident.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief die rivalisierenden Gruppen im Libanon zum Dialog auf. Die Sicherheitskräfte und die Armee müssten in ihrer Arbeit unterstützt werden, die Ruhe in dem Land zu bewahren, erklärte sie in Brüssel. Ashton betonte, dass die Stabilität des Landes gefährdet sei.
Beobachter sehen in dem Kabinettsrücktritt auch eine Spätfolge des Bombenanschlags im Oktober 2012 in einem Christenviertel Beiruts, bei dem der hochrangige Geheimdienstgeneral und Syrienkritiker Wissam al-Hassan getötet wurde. Viele Libanesen sahen die Verantwortlichen des Anschlags in Damaskus, in mehreren Städten gab es blutige Zusammenstöße zwischen Unterstützern und Gegner des syrischen Regimes von Baschar al-Assad. Schon damals hatte Mikati seinen Rückzug angeboten, um den Weg für eine Regierung „zur nationalen Rettung“ freizumachen.
Der Libanon hat seit Jahrzehnten ein gespaltenes Verhältnis zu Syrien. In den libanesischen Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 hatte sich das Regime in Damaskus als selbst ernannte Schutzmacht eingeschaltet. Erst als Regierungschef Rafik Hariri 2005 bei einem Bombenanschlag starb, wurden die syrischen Soldaten mit Massenprotesten pro-westlicher Gruppierungen aus dem Land gedrängt. An die damalige „Zedernrevolution“ will die Opposition nun anknüpfen. Andere befürchten ein Machtvakuum. Die große Zahl syrischer Flüchtlinge im Land verschärft die Lage noch.