Pussy Riot: Justizdrama um drei Künstlerinnen

Die russische Skandalband Pussy Riot hat Kremlchef Putin den Kampf angesagt. Deshalb steht sie nun vor Gericht.

Moskau. Schon als die jungen Frauen der russischen Skandalband Pussy Riot aus dem Gefangenentransporter steigen, herrscht Ausnahmezustand vor dem Moskauer Chamowniki-Gericht.

Journalisten drängen sich für einen ersten Blick auf die drei Künstlerinnen. Der Prozess wegen Rowdytums gegen die erbitterten Kremlgegnerinnen gilt als spektakulärstes Justizdrama in Russland seit den Verfahren gegen den Ex-Ölmanager Michail Chodorkowski, den Erzfeind von Präsident Wladimir Putin.

Für Regierungskritiker ist es kein Zufall, dass Pussy Riot im selben Gerichtssaal in einem Kasten aus Plexiglas vorgeführt werden wie einst Chodorkowski. Von einem neuen Schauprozess ist die Rede, mit dem Putin seine Gegner einschüchtern wolle. Amnesty International hat die seit fünf Monaten inhaftierten Künstlerinnen zu politischen Gefangenen erklärt. „Unser Prinzip ist, immer die Wahrheit zu sagen“, lässt die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa (22) ihre Anwältin verlesen.

Knapp eine Minute dauerte das Punk-Gebet in der Moskauer Erlöserkathedrale am 21. Februar. Dafür drohen Tolokonnikowa, Maria Aljochina (24) — beide Mütter kleiner Kinder — und Jekaterina Samuzewitsch (29) nun sieben Jahre Haft.

Lächelnd und geduldig lassen sich die Frauen von den Fotografen ablichten. Die Aktivistinnen seien bereit, ihre Freiheit für ihr Ideal der freien Meinungsäußerung zu opfern, hatten die Anwälte vor dem Prozessauftakt gestreut. An einen Freispruch scheint auch die Verteidigung nicht mehr zu glauben.

Das Gerichtsgebäude gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Auf den Treppen postieren Spezialeinheiten, bewaffnet mit Kalaschnikow-Sturmgewehren. Ein großes Polizeiaufgebot sperrt die Rostow-Gasse, die zu dem Gebäude führt, mit Metallgittern ab.

Die Staatsanwaltschaft lässt durchblicken, dass sie die gewaltige Medienpräsenz für übertrieben hält; sie lässt Filmaufnahmen und Mitschnitte einschränken. Vorwürfe eines politischen Prozesses weist der Ankläger strikt zurück. Aus religiösem Hass hätten die Frauen gehandelt, als sie — mit Strickmasken verkleidet — „vulgär“ im Altarraum vor den heiligen Ikonen herumsprangen.

Die Aktion habe die Gefühle orthodoxer Christen verletzt. Um die Vorwürfe zu untermauern, treten gleich neun Nebenkläger auf. Es sind einfache Leute, die in der Erlöserkathedrale Kerzen austauschen oder als Wachmänner Dienst tun. „Seelenschmerzen“ habe sie wegen des Skandalauftritts davongetragen, sagt eine Frau aus. Die Nebenkläger gelten als Belastungszeugen.

Die Künstlerinnen beharren auf einem politischen Hintergrund des Prozesses. Religiöse Motive hätten sie als bekennende Christen nicht gehabt. Einziges Ziel sei gewesen, Putins autoritäre und anti-feministische Politik ans Licht zu zerren und die enge Verzahnung von Staat und Kirche zu geißeln.