Putin-Vertrauter: Westen will Russland seine Werte aufdrücken
Berlin (dpa) - Der Chef der russischen Staatsbahn und Putin-Vertraute Wladimir Jakunin hat im Ukraine-Konflikt den Westen scharf angegriffen. Auf Druck der USA werde versucht, Russland westliche Werte aufzudrücken.
Im Westen sei ein „vulgärer Ethno-Faschismus“ wieder in Mode.
Das sagte Jakunin bei einer Tagung in Berlin. Der Eisenbahn-Chef, dem die Opposition in Moskau Korruption im großen Stil vorwirft, nutzte seinen Auftritt auch für einen Feldzug gegen die Gleichstellung von Schwulen und Lesben.
Das Wohlergehen Europas hänge stark davon ab, ob der Westen auf Dialog setze oder nach der Pfeife der USA tanze, meinte Jakunin. Die Sichtweise, alles Gute komme aus dem Westen, alles Böse aus dem Osten, sei gefährlich. „In den USA wissen viele Senatoren nicht mal, wo die Krim liegt.“
Jakunin steht auf einer Sanktionsliste der USA wegen der russischen Politik im Ukraine-Konflikt. Die Sanktionspolitik des Westens bezeichnete er als „reine Propaganda“ und weitgehend wirkungslos.
Als Ausdruck eines moralischen Verfalls im Westen sieht Jakunin den Sieg der österreichischen Travestiekünstlerin Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest, der in Russland teils heftig kritisiert worden war. „Die antike Definition der Demokratie hatte nichts mit bärtigen Frauen zu tun, sondern die Demokratie ist die Herrschaft des Volkes.“ Jene Russen, die beim TV-Voting für Wurst stimmten, hätten eine „abnormale Psychologie“.
Jakunin verteidigte vehement das umstrittene russische Gesetz zum Schutz Jugendlicher vor Homosexualität. Vier Prozent der russischen Kinder würden mit einer genetischen sexuellen Abweichung von der Norm geboren, ein Viertel der 14- bis 16-Jährigen sei in Gefahr, schwul oder lesbisch zu werden. Zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe meinte Jakunin: „Das glaube ich erst, wenn ich einen schwangeren Mann sehe.“
Jakunin gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Russlands und Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. An der Spitze der Staatsbahn RZD ist er Chef von mehr als einer Million Mitarbeiter. Korruptionsvorwürfe wies er in Berlin zurück.
Jakunin, Gründungspräsident des World Public Forum für den Austausch der Zivilgesellschaften, rief bei der Tagung mit Nachdruck zum Dialog zwischen der EU und Russland auf. So lobte er die Bemühungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) für eine Ukraine-Lösung: „Herr Steinmeier kann wirklich derjenige sein, der diese Brücke bauen kann zwischen den Menschen im Ost- und Westteil der Ukraine.“
Der größte Fehler seit Ende des Kalten Krieges sei es gewesen, „dass wir die Illusion hatten, als normale Menschen von unseren Nachbarn angesehen zu werden“, sagte Jakunin. Die russische Jugend habe geglaubt, vom Westen mit offenen Armen empfangen zu werden. Jetzt sei der Frust riesig: „Das ist das Gefühl, gehasst zu werden.“
Der Leiter des mitveranstaltenden Deutsch-Russischen Forums, Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck, wies Jakunins abwertende Aussagen zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen zurück. Das russische Homosexuellen-Gesetz nage an den Grundlagen des menschlichen Zusammenhalts, sagte der frühere SPD-Chef.
Russland solle im Ukraine-Konflikt auch Selbstkritik üben, um einen Neustart der Beziehungen zu ermöglichen. Die Gespräche mit Russland müssten aber fortgesetzt werden: „Jedes gesprochene Wort ist besser als jeder Schuss oder jeder weitere Tote“, sagte Platzeck.