Rechtsradikale Politikerin Le Pen verliert Immunität
Straßburg (dpa) - Marine Le Pen, rechtsradikale Politikerin in Frankreich, muss wegen islamfeindlicher Äußerungen wohl bald vor Gericht. Muslime, die auf der Straße beten, hält sie für eine „Besatzung“ Frankreichs.
Das EU-Parlament entzog der Abgeordneten die Immunität.
Die Vorsitzende der Nationalen Front (FN) muss sich voraussichtlich vor einem französischen Gericht wegen Anstachelung zum Rassenhass verantworten. Die Parlamentarier stimmten in Straßburg mehrheitlich für die Aufhebung der Immunität.
Le Pen hatte bei einer Rede im Jahr 2010 Gruppen betender Muslime auf der Straße mit einem Zustand der Besatzung verglichen. Die Staatsanwaltschaft Lyon begann daraufhin Ermittlungen, die Justiz beantragte die Aufhebung der Immunität. Sollte sie verurteilt werden, drohen ihr bis zu einem Jahr Haft und eine Geldstrafe von 45 000 Euro.
Die 44-jährige Le Pen sprach am Dienstag im französischen Nachrichtensender LCI erneut von einer „Besatzung“ im säkularen (nicht-kirchlichen) Frankreich: „Ohne Panzer, ohne Soldaten“, sagte sie, „aber trotzdem eine Besatzung“. Ihr Vergehen sei, dass sie „gewagt habe, zu sagen, was alle Franzosen denken: Nämlich dass die Straßengebete, die weiterhin auf französischem Boden stattfinden, eine Besatzung sind“. Sie betonte: „Ich werde erhobenen Hauptes ins Gericht gehen und erklären, dass es in diesem Land Menschen geben muss, die den Franzosen die Wahrheit sagen.“
„Rassistische Reden sind unwürdig“, kritisierte der sozialistische belgische EU-Abgeordnete Marc Tarabella. „Vor allem, wenn sie aus dem Munde eines Europapolitikers kommen, der all seine Mitbürger unabhängig von deren Herkunft, der Religion und der Hautfarbe verteidigen sollte.“
Der Justizausschuss des EU-Parlaments hatte bereits im Juni für den Entzug der Immunität Le Pens gestimmt. Er kam zu dem Schluss, dass ihre beanstandete Aussage in keinem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Europapolitikerin stand. Sie sitzt seit 2004 im Europaparlament. Nur in Verbindung mit EU-Arbeit schützt die Immunität die Abgeordneten vor rechtlicher Verfolgung. Le Pen hatte jedoch bei einer Wahlveranstaltung gesprochen, als sie für den Vorsitz der FN kandidierte.
Die Abstimmung im Plenum ist nach der Entscheidung des Rechtsausschusses meistens nur noch eine Formalie. Le Pen steht dabei in der Familientradition. Ihrem Vater Jean-Marie Le Pen wurde in den 1990er Jahren dreimal die Immunität entzogen. So hatte er die Gaskammern der Nationalsozialisten als „Detail“ der Geschichte bezeichnet, weswegen er in München in Abwesenheit zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
In der laufenden Legislaturperiode (2009-2014) des Europaparlaments gab es bislang 27 Immunitätsverfahren, wobei in 20 Fällen die Immunität aufgehoben wurde.