Regierung in Paris tritt überraschend zurück
Paris (dpa) - Nach heftiger Kritik des Wirtschaftsministers am Sparkurs von Präsident François Hollande ist überraschend die gesamte französische Regierung zurückgetreten.
Der Staatschef beauftragte am Montag umgehend den bisherigen Premierminister Manuel Valls mit der Bildung einer neuen Regierung.
Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg wird nicht mehr zum Kabinett gehören. Der Sozialist kündigte das selbst am Montag in Paris an. Die Zusammensetzung der künftigen Regierung soll laut Élyséepalast an diesem Dienstag bekanntgegeben werden.
Die Entscheidung für die Regierungsumbildung fiel laut Élysée einvernehmlich zwischen Hollande und Valls. Aus dem Umkreis von Valls hieß es, mit seiner Kritik habe Montebourg eine Linie überschritten. Nach unbestätigten Berichten soll Hollande „sehr verärgert“ reagiert haben. Der Präsident forderte eine Regierung, die im Einklang mit seinen Leitlinien für das Land stehe.
In der Pariser Zeitung „Le Monde“ hatte Montebourg einen Kurswechsel der Regierung gefordert. „Es gibt immer eine Alternative“, sagte der 51-Jährige. Politische Entscheidungen seien nicht starr. Aus seiner Sicht sollten Deutschland und Europa mehr Gewicht auf Wachstumspolitik legen. Von Hollande forderte Montebourg deswegen ein energischeres Auftreten gegenüber der deutschen Regierung, die für die Sparpolitik in Europa steht.
Montebourg nannte die Sparpolitik am Montag angesichts des ausbleibenden Wachstums „absurd“. Ohne Wachstum lasse sich das Defizit nicht reduzieren. Frankreich plant bis 2017 Einsparungen in Höhe von 50 Milliarden Euro. Ein Wachstum der - nach Deutschland - zweitgrößten Volkswirtschaft des Euro-Raumes blieb in den beiden ersten Quartalen des Jahres aus.
Von der Parteilinken der regierenden Sozialisten hatte Montebourg Unterstützung für seine Position bekommen. Auch der ebenfalls zur Parteilinken zählende Bildungsminister Benoît Hamon war seinem Kabinettskollegen am Wochenende zur Seite gesprungen. Beide Politiker gelten - wie auch Premier Valls - als mögliche Kandidaten der Sozialisten bei der Präsidentenwahl 2017.
Der in Umfragen schwache Hollande hat bisher nicht bekanntgegeben, ob er 2017 erneut antreten will. Montebourg war bei der Vorauswahl der Sozialisten zur Präsidentenwahl 2012 unter anderem an Hollande gescheitert.
Sowohl Hamon als auch Kulturministerin Aurélie Filippetti werden dem neuen Kabinett nicht angehören. Filippetti kündigte ihren Verzicht in einem Schreiben an Hollande und Valls an, Hamon ist nach Angaben Montebourgs nicht mehr dabei.
Die Bundesregierung wollte den Rücktritt nicht kommentieren. „Das ist eine innerfranzösische Angelegenheit“, sagte Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehe mit Hollande in „ständigem Kontakt“.
Merkel wünschte Hollande Erfolg für die geplanten Reformen. Der Präsident habe mutige Schritte eingeleitet, sagte Merkel am Montag in Santiago de Compostela. „Ich wünsche dem französischen Präsidenten allen Erfolg bei seiner Reformagenda.“ Zur innenpolitischen Lage in Frankreich wollte sie sich nicht äußern.
Die Alternative für Deutschland (AfD) wertete den Rücktritt der französischen Regierung als Zeichen für die Fortdauer der Euro-Krise. „Hier muss die Regierung unseres größten Partnerlandes eingestehen, dass sie der Entwicklung der Arbeitslosigkeit und der steigenden Staatsverschuldung machtlos gegenübersteht“, erklärte AfD-Sprecher Bernd Lucke. Auch Merkel sei von mehreren Wirtschaftsnobelpreisträgern aufgefordert worden, den Euro zu beenden beziehungsweise die schwächeren Länder aus der gemeinsamen Währung ausscheiden zu lassen. „Dass die französische Regierung jetzt kapituliert hat, bestätigt dies eindrucksvoll“, erklärte Lucke.