Revolution oder Kurswechsel? - Venezuela hat nach Chávez die Wahl
Caracas (dpa) - Erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten sind die Venezolaner zur Präsidentenwahl aufgerufen, ohne dass der Name Hugo Chávez auf der Kandidatenliste steht. Nach dem Tod des „Comandante“ am 5. März bestimmen rund 19 Millionen Wahlberechtigte an diesem Sonntag dessen Nachfolger.
Für die Regierung tritt der Wunschnachfolger von Chávez, Interimspräsident Nicolás Maduro, an. Die Opposition schickt wie bei der Wahl im Oktober 2012 den Gouverneur von Miranda, Henrique Capriles Radonski, als Kandidaten ins Rennen. Umfragen attestieren Maduro einen klaren Vorsprung.
Landesweit können die Venezolaner in 13 800 Wahlzentren ihre Stimme an elektronischen Wahlautomaten abgeben. Die Wahllokale öffnen gegen 06.00 Uhr (12.30 Uhr MESZ) und schließen gegen 18.00 Uhr (Montag/00.30 Uhr MESZ), sofern es keine Warteschlangen mehr vor den Wahllokalen gibt. Das Ergebnis könnte bereits drei bis vier Stunden danach mitgeteilt werden. Während des nur zehntägigen Wahlkampfes präsentierte sich der Sozialist Maduro siegessicher und als Erbe der „bolivarische Revolution“ von Chávez.
„Chávez hat ein solides Gebäude hinterlassen. ... Wir haben einen außergewöhnlichen Führer verloren, aber sein Projekt, das gemeinsam von Arbeitern, Bauern, Frauen, Indigenen, Afrikanischstämmigen und der Jugend gebaut wurde, ist lebendiger denn je“, schrieb der 50 Jahre alte Ex-Außenminister in einem Beitrag für die britische Zeitung „The Guardian“ (Freitag). In den vergangenen Jahren sei die Armut in Venezuela drastisch gesunken. Deshalb habe die Regierung seit 1998 fast alle - insgesamt 16 - Wahlen und Abstimmungen demokratisch gewonnen, fügte Maduro hinzu.
Der bürgerliche Kandidat Capriles, der bei der Wahl vor sechs Monaten mit rund 44 Prozent Chávez unterlag, der mit 55 Prozent der Stimmen siegte, will den Kurswechsel in Venezuela. Er versprach einen wirtschaftlichen Neuanfang in dem unter hoher Inflation leidenden Ölland und ein Ende der Ölgeschenke an andere Länder, allen voran Kuba. Der 40 Jahre alte Jurist beschwor seine Anhängerschaft, zur Wahl zu gehen. Er sprach von einem Kampf zwischen David und Goliath, der aber zu gewinnen sei: „Am Sonntag werden wir dem Regierungsgrüppchen sagen: Sie sind jetzt Opposition.“