Ringen um Waffenruhe in der Ostukraine
Kiew/Berlin (dpa) - Ungeachtet internationaler Friedensbemühungen im Ukraine-Konflikt hat Russland mit einem Großmanöver in unmittelbarer Nähe der Krisenregion begonnen.
Im Schwarzen Meer seien etwa 20 Kriegsschiffe sowie Jagdbomber vom Typ Suchoi Su-24 und Kampfhubschrauber im Einsatz, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit. Auch Tests von Marschflugkörpern seien geplant.
Nach dem umstrittenen Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland dürfte die Übung für neue Spannungen sorgen. In der Nähe des Manövers liegen etwa die ukrainischen Hafenstädte Odessa und Mariupol, in denen es in dem Konflikt blutige Zusammenstöße gegeben hatte. Die Ukraine warf Russland derweil eine grobe Verletzung ihres Luftraums vor.
Im Ringen um Frieden in der Ostukraine soll ein Krisentreffen den Weg für eine Waffenruhe frei machen. Der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko forderte alle Konfliktparteien auf, an diesem Samstag bei Verhandlungen einen Ausweg zu suchen, wie das Präsidialamt in Kiew mitteilte. Die moskautreuen Separatisten stimmten einem Treffen der sogenannten Kontaktgruppe aus Russen, Ukrainern und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) grundsätzlich zu. Sie schlugen als Ort die weißrussische Hauptstadt Minsk vor. Offiziell bestätigt war das Treffen bis zum Abend aber nicht.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt in dem Konflikt auf neue Verhandlungen. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert telefonierte Merkel mit Poroschenko und mit Frankreichs Präsidenten François Hollande. Alle drei appellierten an Russland, seinen Einfluss auf die Aufständischen geltend zu machen.
Russland hatte sich in Vierergesprächen mit der Ukraine, Deutschland und Frankreich zuletzt für Friedensverhandlungen ausgesprochen. Die Seiten hatten einen neuen Versuch vereinbart, eine Waffenruhe auszuhandeln. Dazu soll bis spätestens Samstag die Kontaktgruppe zusammenkommen.
Parallel zum Ringen um eine Waffenruhe kamen bei Gefechten erneut zahlreiche Menschen ums Leben. Durch Luftschläge und Artilleriefeuer seien sechs Stellungen prorussischer Separatisten zerstört worden, teilte ein Sprecher des „Anti-Terror-Einsatzes“ in Kiew mit. Der Ort Nikolajewka sei von den Truppen eingeschlossen. Mindestens 150 Aufständische seien getötet worden. Auch zwei Soldaten seien ums Leben gekommen, vier weitere seien verletzt worden, hieß es.
Poroschenko lässt seit Ende der am Montagabend nicht erneut verlängerten Feuerpause wieder Städte in den Regionen Lugansk und Donezk bombardieren. Dort kämpfen militante prorussische Kräfte um die Unabhängigkeit der nicht anerkannten „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“. Die Aufständischen hoffen weiter auf militärische Hilfe von Kremlchef Wladimir Putin und einen Einmarsch russischer Truppen.
Die Führung in Kiew warf Moskau am Abend vor, den ukrainischen Luftraum verletzt zu haben. Sie drohte mit dem Abschuss von Kampfhubschraubern. Drei Maschinen mit Kennzeichen des russischen Militärs seien mehrmals unerlaubt auf ukrainisches Territorium geflogen, sagte Sicherheitsratschef Andrej Parubij. Die ukrainische Führung habe Russland in einer Protestnote mit Nachdruck aufgefordert, Grenzverletzungen sofort einzustellen. „Das ist eine Warnung, dass wir die Maschine sonst abschießen“, betonte Parubij. Zuvor hatte er Moskau aufgefordert, Truppen von der gemeinsamen Grenze abzuziehen.
Die Ukraine beschuldigt Russland zugleich, Nachschublieferungen für moskautreue Aufständische über die Grenze nicht zu verhindern. Allein im Gebiet Lugansk würden die militanten Gruppen mittlerweile über mindestens 20 Panzer und mehr als 120 Panzerfahrzeuge verfügen, sagte Juri Stez von der Nationalgarde in Kiew.
Der russische Vizeregierungschef Dmitri Rogosin warf dem Westen die Versorgung der Ukraine mit Waffen vor. Es gehe vor allem um früheres sowjetisches Kriegsgerät aus den Arsenalen osteuropäischer Nato-Mitglieder. Es sei ganz typisch für die Nato, dass sie stets Öl ins Feuer gieße. Das Bündnis hatte mehrfach Waffenlieferungen für die Ukraine ausgeschlossen. Sehr wohl aber könnten einzelne Mitgliedstaaten Militärhilfe leisten.