Runder Tisch zur Ukraine-Krise in der Nähe der Krim
Kiew (dpa) - Nach zwei weitgehend ergebnislosen Runden sollen die Gespräche zur Lösung der Krise in der Ukraine heute im Süden des Landes fortgesetzt werden. Der dritte Runde Tisch beginnt voraussichtlich am Mittag in Nikolajew - in der Nähe der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim.
Das Treffen findet erneut ohne Vertreter der prorussischen Separatisten statt, was von Vertretern der moskautreuen Aktivisten scharf kritisiert wird. Auch Russland hatte mehrfach einen Dialog aller Seiten angemahnt, die Zentralregierung in Kiew lehnt dies jedoch ab.
Unterdessen schwindet der Rückhalt der prorussischen Kräfte im Osten der Ukraine. Der einflussreiche Milliardär Rinat Achmetow rief kurz vor der Präsidentenwahl am 25. Mai zum friedlichen Widerstand gegen die Separatisten auf. Zehntausende seiner Mitarbeiter sowie Bürger folgten dem Appell, legten am Dienstag ihre Arbeit nieder und forderten ein Ende der seit Wochen andauernden Kämpfe.
Die Präsidentenwahl gilt als entscheidend für die Zukunft des Landes. Im umkämpften Osten konnten die Vorbereitungen jedoch vielerorts noch nicht beginnen. Die Regierung hat eingeräumt, dass in weiten Teilen der Regionen Donezk und Lugansk keine Wahl möglich sein wird. Dort kämpfen Regierungstruppen gegen Separatisten, die unter anderem mehrere Verwaltungsgebäude besetzt halten.
Separatistenführer hatten zuvor angekündigt, die Ergebnisse der Wahl nicht anzuerkennen. Zugleich beschworen sie die Bevölkerung, endlich zu den Waffen zu greifen. „Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren“, sagte der „Verteidigungsminister“ der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“, Igor Strelkow, in einem Video.
Achmetow, der reichste Mann der Ukraine, veröffentlichte daraufhin eine eigene, aufsehenerregende Videobotschaft: „In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben“, sagte der Oligarch. „Mit Maschinenpistolen durch die Städte des Donbass zu laufen - sollen so die Rechte der Donezker vor der Zentralregierung gewahrt werden?“
Zehntausende Bürger reagierten darauf mit kurzfristigen Arbeitsniederlegungen und ohrenbetäubendem Autohupen. Beobachter werteten dies als wichtige Geste. Moskautreue Aktivisten gingen Achmetow daraufhin verbal an.
Der Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Abzug der russischen Truppen von der ukrainischen Grenze schwächt die Separatisten weiter. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Dienstag, die Einheiten hätten ihre geplanten Manöver beendet, der Abzug erfolge in Etappen und per Zug. Der Nato lagen allerdings zunächst keine Hinweise auf einen Rückzug vor.
Auch der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza sieht keine Anzeichen für einen Rückzug russischer Truppen von der gemeinsamen Grenze. Die Führung in Kiew könne derzeit nicht bestätigen, dass einem entsprechenden Befehl Putins Taten gefolgt seien, sagte Deschtschiza am Dienstagabend.
Ukrainische Einheiten setzten unterdessen ihre „Anti-Terror-Aktion“ gegen militante Protestführer im Osten des Landes fort. Nahe der Separatistenhochburg Slawjansk sei es zu Schusswechseln gekommen, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. In Dmitrowka nahe der Stadt Lugansk wurden bei Zusammenstößen drei Kämpfer verletzt.
Separatistenführer Denis Puschilin wies eine Absichtserklärung des Parlaments in Kiew, den russischsprachigen Gebieten im Osten mehr Selbstbestimmung zu geben, als „Populismus“ zurück. Während die Führung in Kiew „alles Mögliche“ verspreche, würden bei der „Anti-Terror-Operation“ weiter Aktivisten getötet, sagte Puschilin. Vor einem eventuellen Dialog müssten die Truppen abgezogen werden.
Hingegen lobte Präsidentenkandidat Michail Dobkin die Erklärung als „Schritt zur Stabilisierung der Situation im Land“. Es sei für die Menschen in der krisengeschüttelten Region wichtig, statt Drohung konkrete Vorschläge zu hören, sagte der prorussische Politiker.
Nach UNHCR-Angaben treibt der Konflikt immer mehr Menschen in die Flucht. Demnach verließen bereits etwa 10 000 Menschen ihre Heimat auf der Krim sowie im Osten des Landes. Die meisten Binnenvertriebenen gehören der Volksgruppe der Krim-Tataren an. Die Fluchtbewegungen hatten Mitte März vor dem Referendum auf der Halbinsel Krim begonnen, das zu einem Anschluss an Russland führte.