Russland: Größte Proteste seit gut zehn Jahren
In Moskau fordern 120 000 Menschen einen Machtwechsel.
Moskau. Rekordteilnahme an Protesten und erstmals laute Rufe nach einem Machtwechsel in Russland: Bei der größten Anti-Regierungskundgebung seit dem Machtantritt von Wladimir Putin vor mehr als zehn Jahren haben Zehntausende Menschen trotz Eiseskälte und Schnee landesweit faire Neuwahlen gefordert. Russische Zeitungen berichteten von mehr als 120 000 Demonstranten, die Polizei sprach nur von 30 000. Überraschend forderte erstmals auch der prominente Ex-Finanzminister Alexej Kudrin von der Bühne aus Neuwahlen.
„Nötig sind viel breiter angelegte politische Reformen, als die, die Präsident Dmitri Medwedew jetzt anstrengt“, sagte Kudrin. Erforderlich dafür sei die Gründung einer neuen demokratischen Partei. Kommentatoren werteten Kudrins Auftritt als Sensation. Der unlängst entlassene Minister bot sich als Vermittler zwischen Demonstranten und Kreml an.
Bei viel Schnee gingen landesweit Menschen zu friedlichen Kundgebungen auf die Straße. Bei einzelnen nicht genehmigten Protesten kam es zu Festnahmen, wie die Agentur Interfax meldete. Insgesamt waren nach Angaben unabhängiger Beobachter in Moskau deutlich mehr Menschen auf der Straße als bei der Großkundgebung am 10. Dezember. Es seien die größten Proteste unter dem Motto „Für ehrliche Wahlen“ seit 20 Jahren in Moskau gewesen.
Der Kreml kündigte an, die von Medwedew angekündigten Gesetze zur Belebung des politischen Wettbewerbs zügig umzusetzen. Die Opposition nannte die Vorschläge unzureichend.
Im Moskauer Stadtzentrum gab es erstmals laute Rufe nach einem Führungswechsel. „Russland ohne Putin“, rief der Kremlgegner und Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow. Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow verlangte ebenfalls erstmals in aller Deutlichkeit den Rücktritt von Regierungschef Putin. dpa