Russland kritisiert UN-Inspekteure in Syrien als voreingenommen

Moskau/Damaskus (dpa) - Vergiftetes Klima: Der Bericht der UN-Inspekteure über den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien sorgt für immer neuen Ärger.

Jetzt hat Russland die Experten der Vereinten Nationen scharf kritisiert und ihnen unterstellt, sie seien „politisiert, voreingenommen und einseitig“ vorgegangen. „Sie haben einen selektiven und unvollständigen Bericht erstellt“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der Staatsagentur Ria Nowosti. Der Spitzendiplomat war am Mittwoch in Damaskus mit Syriens Präsident Baschar al-Assad zusammengekommen.

Russland will dem Weltsicherheitsrat nun Beweise vorlegen für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrischen Rebellen. Die Regierung in Damaskus habe Rjabkow Material übergeben, das die „Provokationen“ vonseiten der Aufständischen zeige, sagte Außenminister Sergej Lawrow der Agentur Interfax zufolge. Zugleich versicherte Russland, niemals Sprengköpfe mit dem Nervengift Sarin an Syrien geliefert zu haben.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte einen weiteren Einsatz der Inspekteure in dem Bürgerkriegsland angekündigt. Sie sollen dort weitere Vorfälle untersuchen. Danach werde das Expertenteam einen Abschlussbericht vorlegen, sagte Ban am Dienstagabend bei der Eröffnungssitzung der UN-Vollversammlung in New York. Er forderte zugleich den Sicherheitsrat auf, eine starke Syrien-Resolution einschließlich der Androhung von Konsequenzen zu verabschieden. Das Gremium müsse einen Weg finden, den von Russland und den USA vorgegebenen Plan zur Offenlegung der syrischen Chemiewaffen durchzusetzen. „Im Fall einer Nichteinhaltung muss es Konsequenzen geben“, sagte er.

Nach einer Vereinbarung der USA mit Russland muss das Assad-Regime sein Chemiewaffenarsenal bis Samstag offenlegen. Bis Mitte 2014 sollen die Chemiewaffen aus dem Land gebracht und zerstört werden. Experten bezweifeln, dass der Plan mitten im Bürgerkrieg umgesetzt werden kann.

Nach Ansicht von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen muss deshalb auch ein Militärschlag eine Möglichkeit bleiben. Er betonte in London: „Um den diplomatischen und politischen Prozess in Bewegung zu halten, sollte die Option eines Militäreinsatzes weiter bestehen bleiben.“

Die Chemiewaffeninspekteure könnten nach Ansicht des Teamleiters Åke Sellström derweil schon in der kommenden Woche für weitere Untersuchungen nach Syrien reisen. Es gehe um drei noch zu untersuchende Vorwürfe, sagte er dem US-Nachrichtensender CNN. Zuvor hatte auch Rjabkow kritisiert, die UN-Experten hätten drei weitere angebliche Chemiewaffeneinsätze nicht untersucht.

Assad begrüßte die Haltung Russlands in dem Konflikt, wie das syrische Staatsfernsehen berichtete. Er warf der US-Regierung vor, ihre Politik sei auf Kriege sowie Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder ausgerichtet. Die Haltung Moskaus hingegen lasse für die Zukunft auf eine neue Machtbalance in der Welt hoffen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte, die Verantwortlichen für den Giftgaseinsatz in Syrien vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen. „Die Indizien deuten klar darauf hin, dass das Assad-Regime die Verantwortung für diesen Tabubruch trägt.“ Der UN-Bericht bestätige die bisherige Annahme, dass nur das Regime in Damaskus die technischen und logistischen Fähigkeiten für einen Giftgasangriff dieses Ausmaßes haben könne. Auch die USA betonen, dass nur Assads Truppen das Nervengift Sarin eingesetzt haben könnten.

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch hatte zuvor ebenfalls über deutliche Hinweise auf eine Schuld des Assad-Regimes berichtet. Die Organisation verwies auf Einschlagstellen, die von den UN-Experten untersucht worden waren. Durch die Gradwinkel der Einschläge lasse sich die vermutliche Flugbahn der Raketen zurückverfolgen. Und die schneiden sich den Angaben nach an einem Punkt im Kassiun-Gebirge in der Nähe von Damaskus. Dort hat die Republikanische Garde Assads ihren Stützpunkt.

In Berlin wurde indes bekannt, dass Deutschland zwischen 2002 und 2006 Chemikalien an Syrien geliefert hat, die auch zum Bau von Chemiewaffen verwendet werden können. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Nach Regierungsangaben wurden insgesamt rund 137 Tonnen geliefert. Die Chemikalien sind sogenannte Dual-Use-Güter, die für zivile wie auch militärische Zwecke verwendet werden können. Die Lieferungen erfolgten in der Regierungszeit von Rot-Grün sowie den Anfangsjahren der großen Koalition aus Union und SPD. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in den ARD-„Tagesthemen“: „Nach allen Erkenntnissen, die mir zur Verfügung stehen, sind sie für zivile Dinge benutzt worden.“