Russland zu Milliardenzahlung an Yukos-Aktionäre verdonnert
London (dpa) - Russland soll für die Zerschlagung des einst weltgrößten Ölkonzerns Yukos die Rekordentschädigung von 50 Milliarden US-Dollar (37,2 Mrd Euro) zahlen. Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag entschied, die Auflösung von Yukos sei politisch motiviert gewesen.
Deshalb müsse die Regierung die ehemaligen Aktionäre entschädigen, hieß es in dem Schiedsspruch. Beide Seiten haben das Recht, die Entscheidung vor einem ordentlichen niederländischen Gericht anzufechten. Dann würden aber nicht noch einmal die Fakten, sondern nur Verfahrensfragen geprüft.
Der Betrag macht mehr als zehn Prozent der russischen Währungsreserven aus. 50 Milliarden Dollar hatte Russland in etwa auch für die Olympischen Winterspiele in Sotschi ausgegeben.
Der frühere Yukos-Eigner Michail Chodorkowski, der nach einer zehn Jahre langen Lagerhaft heute in der Schweiz lebt, begrüßte die Entscheidung. Russland will dagegen alle rechtlichen Register ziehen, um nicht zahlen zu müssen, wie Außenminister Sergej Lawrow in Moskau erklärte. Chodorkowski und seine rechte Hand Platon Lebedew waren unter anderem wegen Steuerhinterziehung zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Beide kamen erst vor wenigen Monaten frei.
Das mit drei Richtern besetzte Schiedsgericht fällte das Urteil einstimmig. Einen Richter hatte Russland nominiert. Vorrangiges Ziel sei es nicht gewesen, ausstehende Steuern einzutreiben, sondern den Konzern in den Bankrott zutreiben, heißt es in dem Urteil. Das Gericht berief sich in seiner Entscheidung vor allem auf Regelungen in der Energy Charter, die Russland unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert hat.
Für Russland könnte der Schiedsspruch erhebliche Probleme bereiten, zumal die EU und die USA das Land wegen der Ukraine-Krise mit Sanktionen bestraft haben. Russland hatte die Aktiva von Yukos über mehrere Jahre bei Auktionen verkauft. Sollte Russland diese Summe zahlen müssen, wäre dies ein schwerer Schlag für die ohnehin von Rezession geplagte Wirtschaft.
Unklar ist derzeit, wie die bis zum 15. Januar 2015 fällig werdende Summe eingetrieben werden kann, falls Russland sich weigert zu zahlen. „Wir arbeiten an einer Strategie“, sagte Tim Osborne, Chef der Kläger-Holding GML, am Montag in London. Er machte deutlich, dass die Klägerseite nicht locker lassen werde. „Es geht uns nicht darum, Russland zu besiegen. Wir wollen unseren Aktionären ihr Geld zurückgeben.“
Osborne räumte ein, dass dieser Prozess Jahre dauern könnte. Laut Klägerseite gibt es grundsätzlich die Möglichkeit der Pfändung russischen Staatseigentums in den Mitgliedsländern der New Yorker Konvention zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Allerdings gebe es derzeit keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen, sagte Klägeranwalt Emmanuel Gaillard.
Chodorkowskis Konzern war Anfang des Jahrtausends aufgelöst worden. Der russische Staat und Gerichte warfen dem einst reichsten russischen Ölmagnaten und mehreren seiner Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vor.
Frühere Aktionäre fühlen sich durch die Zerschlagung des Ölkonzerns quasi enteignet. Ein Teil zog daher vor den internationalen Schiedsgerichtshof. Bei den Klägern handelt es sich um die Besitzer der Group Menatep Limited (GML), der zuletzt Yukos mehrheitlich gehörte. Sie hatten rund 100 Milliarden Dollar Entschädigung gefordert. „Wir haben nicht alle Punkte gewinnen können“, sagte Klägeranwalt Gaillard.
Der mittlerweile in der Schweiz lebende Kreml-Gegner begrüßte die Entscheidung des Schiedsgerichts. „Es ist fantastisch, dass den Yukos-Aktionären eine Chance auf Schadenersatz gegeben wird“, sagte er. Zugleich verwies Chodorkowski darauf, persönlich nicht finanziell von dem Richterspruch zu profitieren. Er hatte seine Aktien im Jahr 2005 an den nach Israel geflohenen Yukos-Manager Leonid Nevzlin weitergegeben.
Das seit 2005 anhängige Schiedsgerichtsverfahren in Den Haag war das mit Abstand größte in der Geschichte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Die Verhandlungen erstreckten sich über fast zehn Jahre. Das nächst größte Verfahren hatte ein Volumen von rund 2,5 Milliarden Dollar.