Sarah Palins E-Mails: 130 Kilo ohne Sensationen
Washington (dpa) - Viel Lärm um nichts? So einen Medienrummel hat es in den USA schon lange nicht mehr um eine Persönlichkeit aus der Politik gegeben, die derzeit nicht einmal einen öffentlichen Posten bekleidet.
Hunderte Journalisten waren in Juenau im Bundesstaat Alaska eingefallen, um 130 Kilo an ausgedruckten E-Mails davonzukarren: Sie wurden von der Rechtspopulistin Sarah Palin verschickt oder empfangen, als sie noch Gouverneurin war.
Über zwei Jahre lang hatten Medien für die Freigabe gekämpft, zweifellos in der Hoffnung, dass sich darin Sensationelles verbirgt. Schließlich gilt Palin als mögliche Präsidentschaftsbewerberin für 2012. Aber zumindest bis Samstag deutete nichts darauf hin, dass die 47-jährige ehemalige Schönheitskönigin eine Leiche im Keller hat, von der man bisher nichts wusste. Und es fand sich zunächst anscheinend auch kein neuerlicher Anlass zur Belustigung oder zum Entsetzen über politische Unkenntnis, die Palin 2008 als republikanische Vizepräsidentenkandidatin wiederholt in Schwulitäten gebracht hatte.
Die 24 000 Seiten umfassenden Mails, so räumte eine Reihe von Zeitungen am Samstag selbst ein, spiegelten in erster Linie das Leben einer Gouverneurin wider, die sich mit Leidenschaft in die alltäglichen Regierungsgeschäfte gestürzt hat. Und die nahezu besessen immer wieder über die ihrer Ansicht nach unfaire und „unwahre“ Berichterstattung der Medien klagt, die schonungslos gegen tatsächliche oder vermeintliche Gegner kämpft.
Die Mails zeigten auch, wie stark sich Palin auf ihren Ehemann Todd stützte und wie angespannt ihr Verhältnis zu vielen republikanischen Kollegen war, schildert etwa die „Washington Post“. Zusammengefasst: Es ist über weite Strecken im wesentlichen die Palin, wie sie die Öffentlichkeit mittlerweile längst kennt.
Die Mails stammen aus privaten und geschäftlichen Konten, zumeist sind es Mitteilungen, die Palin und ihre Mitarbeiter zwischen Dezember 2006 und September 2008 geschrieben hatten. Am 29. August 2008 war die bis dahin national wenig bekannte Palin von dem Republikaner John McCain zur Kandidatin für das US-Vizepräsidentenamt ernannt worden. Nach der Wahlniederlage des Duos stieg sie dann 2009 überraschend aus dem Gouverneursamt aus.
„Wow“, schrieb sie beispielsweise, als sie die Nachricht von ihrer „Vize“-Ernennung erhielt. „Ist das zu glauben?“ Wenige Wochen zuvor lobt sie eine Rede des damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zur Energiepolitik. „Er liegt damit richtig“, bescheinigt sie ihm. „Ziemlich cool.“ Wiederholt beschwert sie sich über die „good ol' boys“, die Männer alter Schule, die ihr und Frauen allgemein nichts zutrauten, „die keinen Wandel wollen...“
Aufregend klingt das alles nicht, dabei haben die US-Medien so viel investiert, um die E-Mails rasch an die Leser zu bringen. Die „New York Times“ etwa schickte Reporter nach Juneau, die jede Menge Mails sofort für den Online-Konsum scannten. Das Blatt rief zudem Leser auf, ihm bei der Durchsicht der Mitteilungen zu helfen.
Die „Washington Post“ suchte nach 100 Freiwilligen zur Unterstützung - und wurde so von Angeboten überschwemmt, dass sie am Ende ihren Plan fallen ließ. Der Sender MSNBC rekrutierte 40 Helfer von außen und bietet auf seiner Website unter http://palinemail.msnbc.msn.com/ die Möglichkeit, die Mails nach Schlagworten zu durchsuchen.
Der Staat Alaska hatte wegen des Informationsfreiheitsgesetzes keine andere Wahl, als dem Antrag der verschiedenen Medien auf Freigabe nachzukommen. Kritiker meinen unterdessen, es gebe weitaus wichtigere Dinge, über die berichtet werden sollte. „Das hier ist nicht der Krieg in Afghanistan oder der im Irak“, sagt Kommunikationsexpertin Jane Hall von der American University in Washington.
Palin-Freunde wiesen darauf hin, dass sich Medien im vergangenen Jahr wohl kaum die Mühe gemacht hätten, das 2800 Seiten umfassende Gesundheitsreformgesetz so intensiv zu studieren wie jetzt die Mails. Greta Van Susteren vom konservativen Sender Fox News nannte den Wirbel eine „Medien-Darmspiegelung“.