Schicksalsstunden in Athen
Athen (dpa) - Hoffnungsschimmer für Griechenland: Staatspräsident Karolos Papoulias will weiter für die Bildung einer tragfähigen Koalitionsregierung kämpfen. Das Staatsoberhaupt kündigte am Sonntagabend überraschend an, dass er die Gespräche mit den Parteien an diesem Montag fortsetzen will.
Sollten diese scheitern, müssten spätestens am 17. Juni Neuwahlen stattfinden. Am Sonntag waren Unterredungen mit den drei größten griechischen Parteien, den Konservativen, dem Bündnis der Radikalen Linken und den Sozialisten weitgehend ohne Ergebnis geblieben. Am Abend sprach Papoulias dann mit den Vorsitzenden der kleineren Parteien.
Dabei erklärte sich die Rechtspartei Unabhängige Griechen (AE) grundsätzlich bereit, in eine Mehr-Parteien-Regierung einzutreten oder diese zu unterstützen. Als Bedingung nannte Parteichef Panos Kammenos allerdings, dass der Sparpakt nicht in die Tat umgesetzt werde und Deutschland Reparationen für den Zweiten Weltkrieg zahle.
Die Partei - eine Abspaltung der konservativen Nea Dimokratia - hat 33 Abgeordnete im neuen Parlament; sie hätte somit gemeinsam mit den Konservativen (108 Sitze) und den Sozialisten (41 Sitze) eine Mehrheit von 182 Sitzen im 300 Mitglieder starken Parlament. Es ist bisher aber völlig offen, ob Konservative und Sozialisten sich eine Zusammenarbeit vorstellen können.
Nach dem Gespräch traf der Staatspräsident mit Vertretern der Kommunistischen Partei, der Faschisten und der Demokratischen Linken zusammen. Die Kommunisten haben bereits erklärt, dass sie nicht zur Kooperation bereit sind. Mit den Faschisten will niemand zusammenarbeiten. Der Demokratischen Linken könnte damit eine Schlüsselposition zufallen.
Der Chef der linksradikalen Syriza, Alexis Tsipras, lehnte die Bildung einer breiten Koalition in Griechenland erneut ab. Konservative, Sozialisten und die Demokratische Linke hätten zusammen 168 Abgeordnete im Parlament und könnten auch ohne seine Partei problemlos regieren, sagte Tsipras nach dem Treffen mit Papoulias. Ihre Forderung, sein Bündnis müsse unbedingt an der Regierung teilnehmen, sei absurd und „unlogisch“. Das Sparprogramm, zu dem Athen gezwungen werde, sei „barbarisch“.
Syriza war aus der Parlamentswahl als zweitstärkste Kraft hinter den Konservativen und vor den Sozialisten hervorgegangen. Doch schon vergangene Woche waren alle Sondierungsbemühungen am erbitterten Widerstand von Tsipras gescheitert. Auch im Umfeld der Nea Dimokratia war nach dem Treffen im Amtssitz des Staatspräsidenten von einer Sackgasse die Rede. Er habe noch „eine kleine Hoffnung“, sagte Sozialistenchef Evangelos Venizelos.
72 Prozent der Griechen fordern in einer repräsentativen Umfrage, dass die Parteien alles unternehmen sollten, damit eine stabile Regierung gebildet werden kann. Noch mehr, nämlich 78 Prozent, sprechen sich für einen Verbleib im Euroland aus. Die Umfrage wurde am Sonntag in der Athener Zeitung „To Vima“ veröffentlicht.
Auch in Spanien, Großbritannien und Deutschland protestierten am Wochenende zahlreiche Menschen gegen die Spar- und Finanzpolitik und die Macht der Banken. Allein in Madrid, Barcelona und anderen spanischen Städten erinnerten Zehntausende am Samstag an die Entstehung der Protestbewegung der „Empörten“ vor einem Jahr. Die Polizei vertrieb am Sonntag mehrere Hundert Demonstranten vom zentralen Platz Puerta del Sol in Madrid. Nach Polizeiangaben gab es 18 Festnahmen.
Nach Ausschreitungen bei einem Protestmarsch der kapitalismuskritischen „Occupy“-Bewegung in London nahm die Polizei elf Menschen fest. In Berlin protestierten mehr als 1000 Menschen mit einem Sternmarsch zum Alexanderplatz gegen soziale Ungleichheit.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker will Griechenland mehr Zeit zum Sparen geben. Er sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, die europäischen Partner müssten ihren Zeitplan auf den Prüfstand stellen und die Verträge mit Griechenland im Zweifel nachbessern.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schließt weitere Hilfen für Griechenland ausdrücklich nicht aus. „Wenn die Griechen eine Idee haben, was wir zusätzlich tun können, um das Wachstum zu fördern, kann man immer darüber sprechen und nachdenken“, sagte Schäuble der „Welt am Sonntag“.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) macht weitere Finanzhilfen für Griechenland vom Einhalten des Spar- und Reformkurses abhängig. „Wenn eine neue Regierung die Vereinbarungen einseitig aufkündigt, dann wird es auch keine weiteren europäischen Hilfsgelder geben können“, sagte er der „Welt“ (Samstag).
Vor dem Hintergrund der neu aufgeflammten Schuldenkrise beraten die Euro-Finanzminister an diesem Montag über Griechenland und Spanien. Die Euro-Partner pochen darauf, dass nach den Wahlen in Griechenland eine Koalitionsregierung formiert wird, die zu dem vereinbarten Spar- und Reformprogramm steht.