Schiesserei: Mordanschlag versetzt die USA in einen Schockzustand
Der Angreifer gilt als geistig verwirrt. Dennoch gibt es Kritik, die aufgeheizte Stimmung habe das Attentat begünstigt.
Tucson. Das Verbrechen geschah im Einkaufszentrum von Tucson, Arizona. Blauer Himmel, Wochenendstimmung. Die Abgeordnete Gabrielle Giffords schüttelte Hände. Kontaktpflege, Politiker in Amerika tun so etwas gerne. Dann peitschten Schüsse durch die Luft. „Es war die Hölle“, berichtete der Arbeiter Ryan Green. Wenige Sekunden später lagen über ein Dutzend Verletzte und Tote auf dem Boden. Amerika ist geschockt — wie konnte so etwas passieren?
In rasender Geschwindigkeit durchquerten die Schockwellen des Attentats das Land. Präsident Barack Obama zögerte keine Sekunde. Die Tatumstände lagen noch völlig im Dunklen, die demokratische Abgeordnete rang noch mit dem Tod — da trat der Präsident schon vor die Presse. Eine „Freundin“ nannte er die Angeschossene, eine „unsagbare Tragödie“ sei das Ganze. Doch keine Sekunde zögert Obama auch, um den Finger auf die Wunde zu legen. Gewalt dürfe keinen Platz haben in der amerikanischen Gesellschaft. „Wir werden der Sache auf den Grund gehen“, versprach er. Es gebe viele Fragen. Ob der Präsident damit nur die konkreten Tatumstände meint?
Als die Polizei noch im Nebel stocherte, meldeten sich erste kritische Stimmen und wiesen auf das aufgeheizte politische Klima als eine mögliche Ursache hin, in der politische Wirrköpfe und Attentate gedeihen können. „Ziemlich rau“ sei die politische Stimmung in Arizona bei den jüngsten Wahlen gewesen, meint ein Vertrauter des Opfers. Eine Freundin wird deutlicher und enthüllt, dass Giffords Drohungen erhalten habe.
Dabei ist die Angeschossene alles andere als eine politische Linke oder gar eine Radikale. Eher im Gegenteil, in ihrer bisherigen Karriere hat sie sich eher den Namen einer Gemäßigten gemacht. Mehr noch: Zum Ärger von Parteifreunden trat sie gar für das Recht auf Schusswaffen ein, verteidigte die strengen Kontrollen an der Grenze Arizonas zu Mexiko.
In kaum einem anderen Bundesstaat haben die politischen Emotionen 2010 derartige Wellen geschlagen wie im republikanisch regierten Arizona. Höhepunkt war der Versuch der Regierung in Phoenix, superstrenge Maßnahmen gegen Ausländer einzuführen. In letzter Minute konnte ein Bundesgericht die Absicht kippen, wonach die Polizei praktisch jeden Ausländer jederzeit kontrollieren kann, ob er illegal im Land ist.
Jetzt ist die politische Klasse aufgewühlt. Zwar deuten erste Erkenntnisse darauf hin, dass der mutmaßliche Schütze geistig verwirrt ist. Es heißt, er sei 22 und habe per Internet gegen die Regierung gewettert. Aber der zuständige Sheriff Clarence Dupnik ging bereits so weit, ein Klima „des Hasses und der Vorurteile“ für das Geschehen mitverantwortlich zu machen.