Schweizer schieben Millionen-„Abzockerei“ Riegel vor
Bern (dpa) - Gesetz gegen Gier: Die Schweizer schieben überzogenen Millionenvergütungen für Spitzenmanager den Riegel vor. Regierung und Parlament müssen nach dem Willen des Volkes nun eine gesetzliche Grundlage schaffen, mit der die Rechte der Kleinaktionäre erheblich gestärkt werden.
Bei Zuwiderhandlungen drohen Unternehmensvorständen künftig Haftstrafen von bis zu drei Jahren und hohe Geldbußen. Für die entsprechende Volksinitiative „gegen Abzockerei“ stimmten am Sonntag bei einem Referendum laut amtlichem Ergebnis 67,9 Prozent der Teilnehmer. Die Schweiz bekommt damit eines der schärfsten Aktienrechte der Welt.
Die Abzocker-Initiative, über die lange und heftig gestritten worden war, bekam die dritthöchste Zustimmung, die es je für ein Volksbegehren in der Eidgenossenschaft gab, wie die Schweizer Nachrichtenagentur sda berichtete.
Die vor mehr als fünf Jahren von dem mittelständischen Unternehmer und parteilosen Abgeordneten Thomas Minder eingebrachte Initiative zielt darauf ab, Exzesse bei Bonus-Zahlungen, Abfindungen und Gehältern für Manager börsennotierter Unternehmen durch die Stärkung der Aktionärsrechte zu unterbinden. Über die Höhe von Managervergütungen sollen die Aktionäre künftig jährlich entscheiden. Sondervergütungen wie Abgangsabfindungen oder Begrüßungsgelder für Spitzenmanager in Millionenhöhe sollen gänzlich verboten werden.
Bis zur vollen Umsetzung dürften allerdings noch mindestens ein bis eineinhalb Jahre vergehen. Regierung und Parlament müssen nun ein entsprechendes Gesetz auf der Basis des Initiativtextes erarbeiten und verabschieden.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der die Initiative mit einer millionenteuren Kampagne bekämpft hatte, bedauerte deren Annahme. Zugleich versicherte der Verband aber in einer Mitteilung, der Wille des Volkes werde „selbstverständlich“ respektiert. „Es geht jetzt darum eine praxistaugliche Umsetzung sicherzustellen. Der Wirtschaftsdachverband wird sich konstruktiv in die Ausarbeitung der Ausführungsverordnung und in die konkrete gesetzliche Umsetzung einbringen“, erklärte Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta.
Die langjährige „emotionale Debatte über Lohnexzesse vereinzelter Wirtschaftsführer“ habe eine sachliche Diskussion über den Inhalt der Initiative stark behindert, bemängelte er. Vertreter der Wirtschaft und der bürgerlichen Parteien hatten vor allem vor Nachteilen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von in der Schweiz ansässigen Konzernen gewarnt. Die politische Linke befürwortete die Initiative hingegen mehrheitlich.
Minder äußerte sich erfreut über die klare Zustimmung. „Ich bin froh, dass der lange Kampf vorbei ist“, sagte er. Nun beginne der Kampf um die Umsetzung. „Man weiß ja, wie zerstritten das Parlament ist“, sagte Minder. Die eidgenössischen Abgeordneten hatten jahrelang um die Initiative und Gegenvorschläge gerungen, bevor das Volksbegehren endlich am Sonntag zur Abstimmung gelangte.
Die politische Linke begrüßte das Resultat als Bestätigung eines Stimmungswandels in der Schweiz. Es sei ein „sehr positives Signal“ für noch bevorstehende weitere Initiativen, die ebenfalls in Richtung mehr staatlicher Regulierung für die Wirtschaft zielen, erklärte der Abgeordnete der Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) Jean Christophe Schwaab.
Die SP und Gewerkschaften streben künftig auch Volksinitiativen an, die einen gesetzlichen Mindestlohn ebenso vorschreiben sollen wie eine Obergrenze für die Gehälter der Chefs von Unternehmen. Sie soll nach diesen Vorstellungen beim Zwölffachen des Gehalts eines einfachen Angestellten liegen. Ob und wann es dazu tatsächlich Referenden gibt, ist jedoch noch unklar.