Schwere Verluste für ukrainische Armee
Lugansk (dpa) - Die Separatisten in der Ostukraine haben den Regierungstruppen schwere Verluste zugefügt. Die Aufständischen beschossen Verbände bei Selenopolje im Raum Lugansk massiv mit Raketen und töteten mindestens 19 Soldaten.
Die ukrainische Führung sprach von einem der verlustreichsten Tage der Armee seit Beginn der Kämpfe im April. Präsident Petro Poroschenko drohte mit Vergeltung.
Nach Kreml-Angaben wollen Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag in Brasilien über den Konflikt beraten. Wie Putins Sprecher Dmitri Peskow mitteilte, sprechen der Kremlchef und Merkel am Rande des Fußball-WM-Endspiels kurz miteinander. Die CDU-Politikerin reist mit Bundespräsident Joachim Gauck zum Finale Deutschland gegen Argentinien. Dazu wird auch Putin erwartet. Russland ist 2018 nächster Gastgeber der Weltmeisterschaft. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte ein Gespräch „möglich“.
Poroschenko verurteilte den Separatisten-Angriff, bei dem auch etwa 93 Armeeangehörige verletzt wurden, scharf. „Für jedes Leben eines unserer Soldaten werden die Terroristen mit Dutzenden und Hunderten ihrer Leben bezahlen“, sagte er. Auf Bildern aus Selenopolje waren zerstörte Panzer und tiefe Bombentrichter zu sehen.
Bei einem zweiten Raketenwerferangriff bei Lugansk starben weitere vier Grenzsoldaten. Die Separatisten attackierten auch erneut Sicherheitskräfte rund um die Flughäfen von Lugansk und Donezk. Dabei setzten sie schwere Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge ein.
Die Armee beschoss ihrerseits Stellungen der „Volkswehr“ bei Krasnodon nahe Lugansk aus der Luft. Bis zu 100 Separatisten seien allein in den vergangenen 24 Stunden getötet worden, sagte Militärsprecher Wladislaw Selesnjow. Den Behörden zufolge wurden seit Mitte April zudem rund 500 Zivilisten getötet und 1400 verletzt.
Unterdessen geraten immer mehr Zivilisten zwischen die Fronten. Im Raum Lugansk starben vier Bergarbeiter, als ihr Bus von einer Granate der Separatisten getroffen wurde. Angesichts der Gewalt in der Ostukraine beklagt Russland eine zunehmende Zahl an Flüchtlingen.
Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin forderte die Führung in Kiew zu einer sofortigen Feuerpause auf. „Unter dem Deckmantel eines Friedensplans zieht Präsident Poroschenko unbarmherzig eine Militäraktion gegen die eigene Bevölkerung durch“, sagte er. Tschurkin machte Druck wegen einer Ukraine-Resolution des UN-Sicherheitsrats. „Wir haben heute einige Elemente kommuniziert und erwarten bis Montag, 10 Uhr (Ortszeit), Antworten“, sagte er in New York. Bisherige Vorstöße waren am Widerstand westlicher Staaten gescheitert, die Moskau vorwarfen, einseitig Kiew zu beschuldigen.
Bei einem Telefonat mit Merkel forderte Poroschenko ein baldiges Treffen der Konfliktparteien. Die Führung in Kiew sei bereit zu Gesprächen über eine Waffenruhe, teilte das Präsidialamt mit. Es müsse aber sichergestellt werden, dass keine Waffen für die Aufständischen über die russische Grenze einsickern.
Immerhin reißt der Gesprächsfaden zwischen der Ukraine und Russland auf anderer Ebene nicht ab. Nach der politischen und wirtschaftlichen Annäherung Kiews an die EU sollen mögliche Handelsprobleme beider Länder möglichst direkt von beiden Seiten gelöst werden. Dies vereinbarten der russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew, der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin und EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Freitag in Brüssel. Sie verständigten sich auf einen Konsultationsmechanismus, in dem zunächst Fachleute und in letzter Instanz Politiker beider Seiten mögliche Probleme lösen sollen.
Russland habe Sorgen hinsichtlich Zöllen, technischer Handelshemmnisse wie beispielsweise Standards und Normen sowie gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen, berichtete De Gucht. Einzelheiten nannte er nicht. Russland werde bereits bis zum 20. Juli eine Liste „von konkreten Besorgnissen/möglichen Risiken“ vorlegen. Darüber sollten dann ukrainische und russische Experten sprechen. Sie sollten entscheiden, welche Fragen bilateral gelöst werden können. „In einigen Fällen wird die Einschaltung der EU nötig sein“, heißt es in der Erklärung. Die Ukraine und die EU hatten Ende Juni ein Freihandels- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet.