Sind Abgeordnete nur „Stimmvieh“? Ärger über Kauder
Berlin (dpa) - Die Unions-Abweichler, die neue Hilfsmilliarden für Griechenland strikt ablehnen, wollen sich von der Strafandrohung ihres Fraktionschef Volker Kauder (CDU) nicht einschüchtern lassen.
Christian von Stetten, Chef der Mittelstands-Gruppe in CDU/CSU-Fraktion, bewertete Kauders jüngste Warnung, Gegner des Griechenland-Kurses der Regierung könnten nicht in wichtigen Bundestagsausschüssen zu Europa und Haushalt bleiben, als „Drohung, die ich nicht nachvollziehen kann und die mich auch nicht beeindruckt“.
Der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Es kann nicht sein, dass man nur noch Stimmvieh der Parteiführung ist.“ Später betonte von Stetten in einer Erklärung, Kauder habe mittlerweile klargestellt, dass er keinem Abgeordneten, der seinem Gewissen gefolgt sei, Konsequenzen androhen wollte: „Die Fronten sind ausdiskutiert und geklärt!“
Der schleswig-holsteinische CDU-Landeschef, Ingbert Liebing, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die hohe Zahl von Griechenland-Abweichlern sei ein Alarmzeichen, das die Fraktionsführung auch ernst nehmen sollte: „Die Stimmung in der Fraktion ist nicht gut.“ Liebing kritisierte Kauders Führungsstil: „Es fehlt positive Motivation in der Fraktion zur Geschlossenheit - nur mit Druck wird es nicht gelingen.“
Mitte Juli hatten 60 der 311 Unions-Abgeordneten im Bundestag gegen die schwarz-rote Regierungslinie gestimmt, die Verhandlungen mit Griechenland über ein neues Hilfspaket fortzusetzen. Das Parlament gab aber mit breiter Mehrheit grünes Licht für die Gespräche zwischen Athen und den Institutionen über ein drittes Hilfspaket, die sich nun auf der Zielgeraden befinden. Der Bundestag müsste in einer weiteren Sondersitzung den Hilfen von bis zu 86 Milliarden Euro noch zustimmen.
In der Unionsfraktion schlugen Kauders Äußerungen im Lager der Griechenland-Kritiker hohe Wellen. Der CDU-Abgeordnete Alexander Funk sagte in der „Bild“-Zeitung, Kauders Einlassungen seien „für jeden Vertreter der parlamentarischen Demokratie erschreckend und beschämend“. Seine CDU-Kollegin Veronika Bellmann meinte, Drohungen und Sanktionen stünden nicht in der Fraktionsordnung: „Wenn immer alle Nein-Sager „entmachtet“ werden, hat die Union bald ein Besetzungsproblem.“
In der „Welt am Sonntag“ hatte Kauder betont, das Abweichen von der Regierungslinie werde für einzelne Abgeordnete Konsequenzen haben. „Die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss.“
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sieht das genauso. „Wenn also ein Kollege dauerhaft die Mehrheitsmeinung der Fraktion in seinem Ausschuss nicht vertreten kann, dann sollte er konsequenterweise in einen anderen Fachbereich wechseln“, meinte der Kauder-Vertraute am Montag. Auch aus der CSU bekam Kauder Unterstützung.