Skandal um IWF-Direktor Strauss-Kahn schlägt hohe Wellen
Washington. Lang gehegte Hoffnungen auf die französische Präsidentenschaft kann er nun wohl begraben, auch ist seine Position als einflussreicher Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Gefahr.
Die schweren Vorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn, der in einem New Yorker Luxushotel ein Zimmermädchen angegriffen und sexuell belästigt haben soll, könnten aber auch auf die globalen Finanzmärkte durchschlagen. Immerhin war der 62-Jährige einer der Chefarchtitekten der Rettungspakete für Griechenland und Portugal. "Das Timing ist katastrophal" erklärte ein ranghoher IWF Beamter, "der Skandal bringt uns völlig aus dem Konzept."
Die Abläufe erinnern an eine Szene aus der weltweit populären Fernsehserie "Law and Order: Special Victims Unit", in der mutmaßliche Sexualverbrecher verhaftet werden und Staatsanwälte später vor Gericht die Einzelheiten ihrer perversen Exzesse aufrollen: Um 16 Uhr 40 Ortszeit am Samstag Nachmittag betreten Agenten der New Yorker Hafenbehörde am John F. Kennedy Flughafen die erste Klasse einer Air France Maschine, die wenige Minuten später in Richtung Berlin starten soll, wo unter anderem ein Treffen Strauss-Kahns mit Kanzlerin Angela Merkel geplant war. Die Agenten bitten den prominenten Fluggast, sie zu begleiten und von Bord zu gehen. Strauss-Kahn habe keinen Widerstand geleistet, bestätigte die Polizei, folglich musste man ihm keine Handschellen anlegen.
Den Auftrag hatten Agenten der Hafenbehörde von der New Yorker "Special Victims Unit", der Sondereinheit für "besondere Opfer", nämlich Opfer von Sexualverbrechen erhalten. Kurz zuvor hatte nämlich ein aufgeregtes Zimmernmädchen in der Luxusherberge "Sofitel" nahe dem Times Square anderen Hotelangestellten berichtet, dass ein Gast in der Suite mit der Zimmernummer 2806 versucht habe, sie zu vergewaltigen. In der Annahme, dass der prominente Gast bereits abgereist sei, so die Darstellung der 32-Jährigen, habe sie gegen 13 Uhr die Tür geöffnet. Aus dem Badezimmer soll der splitternackte Strauss-Kahn gekommen sein. Wie US-Medien berichten, habe Strauss-Kahn die Frau aufs Bett geschmissen und sie zum Oralverkehr gezwungen. Nachdem sie sich befreien konnte, soll er der Frau in der aus mehreren Zimmern, einem Flur und Konferenzraum bestehenden Suite hinterhergelaufen sein. Sie aber konnte schließlich flüchten. Ein anderer Angestellter alarmierte prompt die Notrufzentrale der New Yorker Polizei.
Als die Ordnungshüter bald danach im Sofitel eintrafen war aber der IWF-Chef längst verschwunden. Hinterlassen hatte er allerdings sein Mobiltelefon und "andere persönliche Gegenstände". Wie ein Polizeisprecher meinte "eindeutig das Verhalten einer Person, die es sehr eilig hatte." Über die Funkzentrale des Taxidiensts soll die Polizei dann erfahren haben, dass Strauss-Kahn sich zum New Yorker Kennedy Flughafen fahren ließ und dort beim Air France Terminal abgesetzt wurde. Kurz vor dem geplanten Start kam es dann zu der sensationellen Festnahme an Bord des Großraumjets.
Nach einer ausführlichen Befragung durch Detektive der "Special Victims Unit", so Polizeisprecher Paul Browne, wurde Frankreichs früherer Wirtschafts- und Finanzminister und einer der Favoriten im Rennen um die Nachfolge von Präsident Nicolas Sarkozy um 2 Uhr 15 in der Nacht zum Sonntag formal verhaftet. Unklar war zunächst, ob Strauss-Kahn bereits am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt wird oder eine Nacht in einer Gefängniszelle verbringen muss. Die Anklage wird auf "versuchte Vergewaltigung" lauten, ein Verbrechen, das in New York eine bis zu 10-jährige Gefängnisstrafe nach sich ziehen kann. Nach Darstellung von Strauss-Kahns US-Anwälten William Taylor und Benjamin Brafman wird ihr Mandant sich "nicht schuldig" bekennen. Unklar ist auch, ob sich der prominente Tatverdächtige auf diplomatische Immunität berufen wird oder kann. Nach den Statuten des Währungsfonds greift Immunität nur dann, wenn sich strafrechtliche Vorwürfe auf einen Akt beziehen, der "in Ausübung einer offiziellen Funktion als Mitarbeiter des IWF" stattfand.
In der Washingtoner Zentrale des Währungsfonds herrscht seit dem Auffliegen des Skandals jedenfalls heillose Verwirrung. Bereits nach seinem Amtsantritt in 2008 hatte Strauss-Kahn wegen einer Affäre mit einer verheirateten IWF-Ökonomin in den Schlagzeilen gestanden und vor allem Sarkozy verärgert, der Frankreich bei der Bekämpfung der globalen Finanzkrise eine zentrale Rolle zugedacht hatte und als Folge der Indiskretion einen Imageverlust befürchtete. Nach einer öffentlichen Entschuldigung kam Strauss-Kahn damals noch mit einem blauen Auge davon. "Dies aber ist eine ganz andere Kategorie" erklärte ein ranghoher IWF-Offizieller. "Zwei Tage vorher hat Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky seinen Rücktritt eingereicht, nun ist die Zukunft des Chefs völlig unsicher." Wie es mit den vom IWF gescnürten Retttungspaketen für Griechenland, Portugal und andere hochverschuldeten europäischen Länder weitergeht sei nun unklar.