Grenzkontrollen: EU droht Dänen mit Klage

Brüssel/Kopenhagen (dpa) - Die Europäische Union droht Dänemark wegen der geplanten Wiedereinführung von Grenzkontrollen mit einer Klage. Eine erste juristische Prüfung habe „erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit Dänemarks vertraglichen Verpflichtungen“ ergeben.

Das sagte eine Sprecherin am Freitag nach einem Telefongespräch des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso mit dem dänischen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen. Verstöße sowohl gegen den Schengen-Vertrag als auch gegen die Verpflichtung zur Sicherung des freien Warenverkehrs seien möglich.

Trotz der massiven Kritik will Dänemark an neuen, permanenten Grenzkontrollen festhalten. Steuerminister Peter Christensen kündigte am Freitag an, seine Regierung werde ihre Pläne nicht auf Eis legen. Binnen drei Wochen werde man mit der erneuten Bemannung von Grenzübergängen nach Deutschland und Schweden beginnen.

In seinem in Brüssel veröffentlichten Brief an Rasmussen drohte Barroso eindeutig mit einem Vertragsverletzungsverfahren beim Europäische Gerichtshof. Er schrieb, die Kommission sei „an einem zufriedenstellenden Ergebnis des Dialogs“ mit Kopenhagen interessiert. Er fügte aber hinzu: „Ich muss darauf hinweisen, dass wir, falls nötig, alle nötigen Schritte unternehmen werden, um die volle Übereinstimmung mit geltendem Recht sicherzustellen.“

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte Dänemark auf, die Reisefreiheit an seinen Grenzen nicht zu beschränken. Er gehe davon aus, dass Kopenhagen sich gut überlegen werde, was es von seinen Ankündigungen umsetzt, sagte Friedrich beim Treffen der Innenminister der unionsregierten Bundesländer in Rostock.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor einem Rückfall in nationale Alleingänge in der EU. Er sorge sich, dass viele Länder eine Renationalisierung der Politik wollten, sagte Westerwelle beim FDP-Parteitag in Rostock. „Das ist eine Politik, die in Wahrheit aus innenpolitischen Gründen geführt wird.“ Deutschland werde weiter für Reisefreiheit eintreten.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok zeigte sich angesichts der Debatten um den Euro und neue Grenzkontrollen beunruhigt über die Zukunft der EU. „Ich mache mir große Sorgen um Europa, weil die Gefahr besteht, dass alles zerbröselt, was geschaffen wurde“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Die EU-Kommission müsse den Mut finden, Länder wie Dänemark vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. „Wenn wir hier schleichende Prozesse zulassen, dann gibt es kein Ende.“

Experten der Kommission sagten, die zeitweilige Wiedereinführung von Zollkontrollen sei nur dann möglich, wenn dies Teil einer im ganzen Land geltenden besonderen Politik sei, beispielsweise beim Auftauchen von Gesundheitsgefahren. Personenkontrollen seien nach derzeitigem Stand nur für maximal 30 Tage möglich, wenn eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bestehe.

Die Innenminister der 27 EU-Staaten hatten am Donnerstag entschieden, die Regeln für die vorübergehende Rückkehr zu Grenzkontrollen zu ändern und dies beispielsweise auf Gefahren durch starken „Migrationsdruck“ zu erweitern.

Dänemark hatte seinen Schritt mit der „zunehmenden grenzüberschreitenden Kriminalität“ vor allem durch Osteuropäer begründet. Über ähnliche Probleme an den deutschen Ostgrenzen klagte der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. „Wir haben nach dem Wegfall der Grenzkontrollen vor allem in den Grenzdörfern eine extreme Zunahme der Kriminalität“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Dies führt zu einer echten Belastung. Die Nerven liegen blank.“

Schleswig-Holstein will ungeachtet der von Dänemark angekündigten Wiedereinführung von Grenzkontrollen die Zusammenarbeit mit dem nördlichen Nachbarn ausbauen. Politik und Wirtschaft machten an Ländergrenzen nicht Halt, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bei einem Verkehrs- und Wirtschaftssymposium der IHK Schleswig-Holstein in Kopenhagen. Dänemark sei einer der wichtigsten ausländischen Partner Schleswig-Holsteins.