Damaskus sucht Wege aus der Krise
Damaskus (dpa) - Ungeachtet massiver Unterdrückung durch die Sicherheitskräfte haben wieder Tausende Syrer gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad demonstriert. Vor allem im kurdischen Nordosten des Landes beteiligten sich die Menschen am Freitag ungewohnt stark.
In der westlichen Stadt Homs wurde mindestens ein Demonstrant getötet, als Sicherheitskräfte in die Menge feuerten. Die Opposition hatte aus Protest gegen die jüngste Verhaftungswelle zu Kundgebungen im ganzen Land aufgerufen. In Protesthochburgen wie Homs, Hama, Banias und Daraa waren in den vergangenen zwei Wochen Tausende Menschen festgenommen worden. Ihr Schicksal ist weitgehend ungewiss.
In den Städten Kamischli, Amuda, Ras al-Ain and Derbassieh sowie in Ain al-Arab in der Provinz Aleppo gingen jeweils Tausende Kurden und assyrische Christen auf die Straße, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira unter Berufung auf Aktivisten. „Die Kurden weiten nun ihre Teilnahme an den Demonstrationen für Freiheit aus, an der Seite der syrischen Mitbrüder“, sagte der Generalsekretär der Kurdischen Jakiti-Partei, Ismail Hami, dem Sender. Die Kurden sind die größte ethnische Minderheit in Syrien, sie machen etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus. Sie werden in mehrfacher Hinsicht diskriminiert.
Zuletzt hatte Assad die Kurden für sich zu gewinnen versucht, als er auf dem Höhepunkt der ersten Protestwelle im März Hunderttausenden von ihnen die syrische Staatsbürgerschaft gab. Die Betroffenen waren bis dahin staatenlos und hatten kaum Rechte.
„Wir verurteilen das Eingreifen der Armee“, erklärte der Kurden-Politiker Hami gegenüber Al-Dschasira. Starke Armeeverbände hatten mehrere Städte, in denen es in der Vergangenheit große Proteste gegeben hatte, völlig umstellt.
In Homs, der drittgrößten Stadt des Landes, waren alle Zugänge blockiert, berichtete Al-Dschasira. Hunderte Geheimdienstbeamte in Zivil zeigten demonstrativ in jenen Wohnvierteln Präsenz, in denen es zuvor Kundgebungen gegeben hatte.
Zugleich sucht das Assad-Regime nach fast zweimonatigen Massenprotesten offenbar verzweifelt nach einem Ausweg und redet nunmehr sogar mit Dissidenten. Buthaina Schaaban, eine Beraterin Assads, die immer wieder auch als seine Sprecherin auftritt, empfing in den letzten Tagen vier prominente Intellektuelle und Aktivisten der ansonsten unterdrückten syrischen Opposition.
„Es war kein Dialog, sondern eine Anhörung von Gesichtspunkten hinsichtlich der gegenwärtigen Lage“, erklärte der Schriftsteller Michel Kilo, einer der Gesprächspartner Schaabans, am Freitag der kuwaitischen Zeitung „Al-Rai“. „Ich bin zu ihr gegangen und habe ihr gesagt, was ich denke“, sagte Kilo über sein Treffen mit der Assad-Beraterin. Er habe unterstrichen, dass „Teillösungen die Forderungen des syrischen Volkes nicht befriedigen werden“.
Kilo, ein angesehener linksliberaler Autor und Journalist christlicher Herkunft, war mehrfach verhaftet worden. Zuletzt verbüßte er von 2006 bis 2009 eine Gefängnisstrafe wegen Kritik am Regime.