Aus dem Notizbuch des Terror-Chefs

Sichergestellte Dokumente zeigen, dass Osama bin Laden bis zuletzt aktiv war. Er plante weitere Anschläge in den USA.

Washington. Zwar lebte er zurückgezogen in einer Villa im pakistanischen Abbottabad, trotzdem spielte Osama bin Laden noch bis zuletzt in der Terrororganisation Al Kaida eine wesentlich aktivere Rolle als bisher angenommen.

Das beweisen handschriftliche Notizen, die Sondereinheiten der US Navy Seals bei der Kommandoaktion gegen den Terror-Chef sicherstellten.

Die Notizen lesen sich wie eine Episode aus einem James-Bond-Roman: Um sich der Überwachung elektronischer Kommunikation zu entziehen, verzichtete Bin Laden auf Handys, SMS und E-Mails und bediente sich Methoden der alten Schule, um mit Ablegern des Terrornetzwerks zu kommunizieren.

Auf Wechseldatenträgern gespeicherte Nachrichten wurden ihm von Kurieren gebracht und aus dem Versteck abgeholt. Ein solcher Kurier war es bekanntlich, dem die Geheimdienste auf der Spur blieben, bis sie den meistgesuchten Terroristen in der Geschichte schließlich fanden.

Zwar wird es nach Darstellung der US-Regierung noch Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis man jene Informationen, die auf den insgesamt 110 beschlagnahmten Festplatten sowie Laptops und USB-Sticks enthalten sind, vollständig ausgewertet hat.

Klar ist aber schon, dass insbesondere ein Notizbuch Bin Ladens interessant ist, dessen Echtheit von Handschriftexperten bestätigt wurde.

Demnach wollte Bin Laden unbedingt weitere Anschläge gegen US-Ziele vorbereiten, und zwar an symbolträchtigen Tagen wie dem 4. Juli, dem US-Nationalfeiertag. Er entwickelte „Ideen“, wie man mit Angriffen unter anderem gegen Fernzüge, Flugzeuge und Brücken Schäden anrichten könne, die vergleichbare Dimensionen gehabt hätten, wie die Attentate vom 11. September 2001.

„Nur so glaubte er, die USA zum Rückzug aus der arabischen Welt bewegen zu können“ erklärte ein ranghoher Geheimdienstbeamter. Wie aus dem Notizbuch außerdem hervorgeht, forderte der Terroristenchef seine Anhänger auf, in den USA verstärkt Nicht-Muslime zu rekrutieren.

Von den wichtigsten Al-Kaida-Ablegern, unter anderem der in Jemen ansässigen AQAP (Al Kaida auf der arabischen Halbinsel) unterschied sich Bin Laden in einem wichtigen Punkt: Während die Ableger vorwiegend regionale Anschläge vorbereiteten, war Bin Laden „wie ein Laserstrahl auf Amerika und den Westen konzentriert“, sagte ein Geheimdienstler.