Snowden: Großangelegte US-Spionage in China

Washington/Peking (dpa) - Kurz vor einem Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping sorgen Berichte über großangelegte US-Spionage in China für Aufsehen.

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Der US-Geheimdienst NSA forschte demnach über Jahre systematisch chinesische Ministerien, Banken und Firmen aus. Sogar der ehemalige Staatspräsident Hu Jintao soll abgehört worden sein, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner Montagausgabe schreibt.

Zu den Zielen zählten auch das Außen- und das Handelsministerium in Peking, der Zoll sowie der Telekommunikationsriese Huawei. Das Magazin berief sich dabei auf Dokumente des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Auch die „New York Times“ berichtete mit Bezug auf Unterlagen des Whistleblowers, der im russischen Exil lebt, über die Operationen gegen Huawei.

Die NSA erklärte in einer Email, der Geheimdienst nutze seine Fähigkeiten nicht, um Betriebsgeheimnisse ausländischer Unternehmen zugunsten von US-Firmen zu stehlen. Die nachrichtendienstliche Aufklärung diene ausschließlich der Sicherheit der USA. Die Enthüllung von NSA-Praktiken schade der Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten. Im vergangenen Jahr war unter anderem bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst Handy-Gespräche von Kanzlerin Angela Merkel abgehört hatte. Die Enthüllungen könnten das Treffen von Obama und Xi am Montag am Rande des Atomgipfels in Den Haag überschatten. Die USA haben China in der Vergangenheit wiederholt schwerer Militär- und Industriespionage und Hackerangriffe beschuldigt. So sagte denn auch Cheng Xiaohe von der Pekinger Volksuniversität, die Berichte legte eine Doppelmoral der USA offen. „Washington verliert seine moralische Überheblichkeit“, sagte der außenpolitische Experte der Nachrichtenagentur dpa. Beim Besuch von Xi in Kalifornien im vergangenen Juni waren ebenfalls kurz zuvor Berichte von Snowden über die Arbeit der US-Geheimdienste veröffentlicht worden.

Besonders aufwändig war nach Angaben des „Spiegel“ eine NSA-Operation gegen Huawei, dem zweitgrößten Netzwerkausstatter der Welt. Einer Spezialeinheit sei es gelungen, an rund 100 Stellen das Computernetzwerk des Unternehmens zu infiltrieren und interne Dokumente zu kopieren. Zudem habe sich die NSA Zugang zum geheimen Quellcode einzelner Produkte verschafft. Dieser Softwarecode gilt als Allerheiligstes von Computerunternehmen.

Nach Angaben der „New York Times“ lief die Huawei-Operation unter dem Codenamen „Shotgiant“. Eines der Ziele sei es gewesen, Verbindungen zwischen dem Telekommunikationsriesen und der chinesischen Volksbefreiungsarmee zu finden. Darüber hinaus habe sich die NSA die technologischen Erkenntnisse zunutze machen wollen, um bei Verkäufen von Huawei-Ausrüstung in andere Länder deren Computer- und Telefonnetzwerke ausspähen zu können.

Huawei-Sprecher Scott Sykes sagte am Sonntag in Peking der dpa: „Wenn die Berichte stimmen, verurteilt Huawei solche Aktionen, die in unser internes Netzwerk eindringen und es aushorchen“. Noch im Januar hatte das Unternehmen Berichte über einen Einbruch in sein System als grundlos zurückgewiesen. Nun räumte Sykes ein: „Firmennetzwerke werden konstant aus verschiedenen Quellen angegriffen - das ist der Status Quo im heutigen digitalen Zeitalter.“

Der frühere NSA-Chef Michael Hayden hat bei den Deutschen wegen der Auswirkungen der Spionage-Affäre um Entschuldigung gebeten - nicht aber wegen der Abhöraktionen selbst. „Ich gestehe, dass wir Amerikaner nicht nur die Auswirkungen auf die Kanzlerin, sondern auch auf die deutsche Bevölkerung unterschätzt haben“, sagte Hayden dem „Spiegel“. Er sei zwar nicht zu einer Entschuldigung wegen der nachrichtendienstlichen Beobachtung bereit. „Aber ich bin bereit, mich dafür zu entschuldigen, dass wir einen guten Freund schlecht haben aussehen lassen“, sagte Hayden. „Wir konnten es nicht geheim halten und haben damit einen Freund in eine sehr schwierige Lage gebracht. Schande über uns, das ist unser Fehler.“ Hayden war von 1999 bis 2005 Direktor der NSA.