Stammcrew der „Gorch Fock“ weist Vorwürfe zurück
Ushuaia/Berlin (dpa) - Die Stammbesatzung des in die Kritik geratenen Marine-Segelschulschiffs „Gorch Fock“ hat nach Berichten mehrerer Medien in einem offenen Brief an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) fehlenden Rückhalt in der Bundeswehr beklagt.
Die vorläufige Absetzung von Kapitän Norbert Schatz durch Guttenberg wird darin als „Abservierung“ kritisiert. Auf der „Gorch Fock“ sollen Offiziersanwärter drangsaliert worden sein. Dies untersucht ein Ermittlerteam auf dem Schiff, das derzeit vor Argentinien liegt.
Der Leiter des Untersuchungsteams, Marineamtschef Horst-Dieter Kolletschke, sagte am Freitag: „Ich bin zuversichtlich, dass diese Untersuchung zu einem guten Ende kommen wird.“ Das Ermittlerteam mit insgesamt zehn Mitgliedern war am Vorabend an Bord des Dreimasters gegangen.
„Wir, die Stammbesatzung der „Gorch Fock“, fühlen uns sehr alleine gelassen“, heißt es in dem offenen Brief. „(...) Auch fehlte uns der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen, welche sich zu keiner Zeit vor uns stellten oder sich nach unserem Befinden erkundigt haben.“ Die Authentizität des Briefes, aus dem „Spiegel online“, das „Hamburger Abendblatt“, die „Mitteldeutsche Zeitung“ und der Medienblog „Spiegelfechter“ berichteten, konnte von dpa nicht abschließend geklärt werden.
Die Anschuldigungen von Offiziersanwärtern seien bisher nicht bestätigt, heißt es in dem Schreiben weiter. Der Vorwurf, die Ausbilder seien Menschenschinder, sei Rufmord. Zu keiner Zeit sei „an Bord ein Soldat von einem anderen angefasst oder gar sexuell belästigt“ worden.
Aus dem Verteidigungsministerium hieß es am Freitagabend, der Brief sei noch nicht beim Minister in Berlin eingegangen. „Spiegel Online“ schrieb, Guttenberg habe der Brief per E-Mail beim Weltwirtschaftsforum in Davos erreicht.
„Ich habe den Brief aufmerksam gelesen und kann die aufgewühlten Gefühle nachvollziehen“, sagte er „Spiegel Online“. Die Soldaten würden schon bald eine Antwort erhalten. Es werde vor Abschluss der Ermittlungen keine Vorverurteilungen geben.
Konteradmiral Kolletschke sagte in der argentinischen Hafenstadt Ushuaia: „Ich habe den Auftrag, die Vorgänge und Vorwürfe zu untersuchen, die im Anschluss an den tödlichen Unfall im brasilianischen San Salvador do Bahia bekanntgeworden sind.“ Der Unfall selbst, bei dem eine 25-jährige Offiziersanwärterin nach dem Sturz aus der Takelage gestorben war, sei aber nicht Gegenstand seiner Ermittlungen.
Auf die Frage, ob der bisherige Kommandant Norbert Schatz sein Kommando schon an den ebenfalls nach Ushuaia gereisten früheren Kommandanten Michael Brühn übergeben habe, antwortete Kolletschke: „Es wird keinen Kommandowechsel geben. Der bisherige Kommandant (Schatz) ist lediglich für eine Zeit von seinen Pflichten entbunden.“
Er werde das Schiff verlassen, kurz bevor die „Gorch Fock“ am 30. Januar den Hafen von Ushuaia verlasse und die Weiterreise an der Pazifikküste Südamerikas unter der Führung von Brühn fortsetzen werde. Seit dem Unfall in Brasilien fährt das Schulschiff ohne Auszubildende.
Das Untersuchungsteam wird nach Angaben seines Leiters etwa 14 Tage an Bord bleiben und erst im nächsten Hafen im chilenischen Valparaiso von Bord gehen. Das Segelschulschiff werde dann durch den Panama-Kanal in die Karibik fahren und von dort aus nach Deutschland zurückkehren, wo es Ende April oder Anfang Mai eintreffen werde.