Suche nach Snowden löst diplomatischen Eklat aus
Wien/Berlin/Moskau (dpa) - Der von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden sorgt weiter für Schlagzeilen, ohne selbst in Erscheinung zu treten.
Zu einem diplomatischen Eklat kam es auf dem Wiener Flughafen, wo die Maschine des bolivianischen Staatschef Evo Morales auf dem Flug von Moskau in die Heimat für 13 Stunden einen Zwischenstopp einlegen musste. Der Verdacht, Snowden sei an Bord, erhärtete sich nicht. In Deutschland stand Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Kritik für die Entscheidung der Behörden, Snowden Zuflucht zu verweigern.
Mehrere europäische Staaten hatten der Maschine Morales in der Nacht zum Mittwoch die Überflugrechte verweigert. Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer persönlich musste dann am Morgen am Wiener Flughafen bei einer Pressekonferenz mit Morales das Problem ausräumen. Gegen 11.30 Uhr hob die Präsidentenmaschine Richtung Bolivien ab.
Kurz vor seinem Abflug sagte Morales noch zu Journalisten, die Verantwortlichen hätten einen historischen Fehler begangen. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) reagierte empört. „Nichts kann eine Handlung solcher Respektlosigkeit gegen das höchste Amt eines Landes rechtfertigen“, erklärte OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza in Washington. Ecuador und Argentinien forderten die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des südamerikanischen Staatenbundes Unasur, um gegen das Überflugverbot Protest einzulegen.
Der 30-jährige Snowden zeigte sich weiter nicht in der Öffentlichkeit. Nach der Flucht vor der US-Justiz aus Hongkong sitzt Snowden seit dem 23. Juni am Moskauer Flughafen Scheremetjewo fest. Es wird vermutet, dass er dort noch ist. Die USA hatten seinen Pass annulliert. Snowden hat in einer Vielzahl von Staaten politisches Asyl beantragt - bisher vergeblich. Der „Whistleblower“ hatte Datenspionage der USA und Großbritanniens im großen Stil öffentlich gemacht.
Unklar war zunächst, ob neben Frankreich, Italien und Portugal auch Spanien die Überflugrechte verweigert hatte. Von bolivianischer Seite hatte es geheißen, das Problem liege noch bei Spanien, dessen Außenminister José Manuel García-Margallo das aber zurückwies.
Auch die Regierung Portugals wies die Vorwürfe zurück. Es habe lediglich technische Schwierigkeiten gegeben, die eine Zwischenlandung Morales' verhinderten. Dies sei bereits vor dessen Abflug in Moskau mitgeteilt worden. Weil die Bolivianer aber auf einer Landung in Lissabon beharrt hätten, seien „zusammen mit den internationalen Flugbehörden“ Maßnahmen ergriffen worden, um eine unerlaubte Landung zu verhindern.
Morales war auf dem Rückweg von einer Konferenz in Moskau. Er wies jede Verbindung zu Snowden zurück. „Ich habe mit der Sache nichts zu tun“, sagte er der spanischen Nachrichtenagentur EFE. „Ich kannte nicht einmal seinen vollständigen Namen.“
Der Fall Snowden hallte auch in der deutschen Innenpolitik wieder. Die Weigerung der Regierung, dem Mann Zuflucht zu gewähren, stieß auf massive Kritik. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das ist eine Schande für Deutschland, eine Schande für Europa, eine Schande für die Demokratie.“
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigte hingegen in Berlin: „Die Voraussetzungen für die Aufnahme von Herrn Snowden in Deutschland liegen nicht vor.“ Nach Regierungsangaben kann nur Asyl beantragen, wer bereits in Deutschland sei. Ferner sei der 30-Jährige in keiner humanitären Notlage. „Zum einen befindet sich Herr Snowden in Russland. Zum anderen sind die Vereinigten Staaten von Amerika ein Rechtsstaat mit parlamentarischer Kontrolle und einer unabhängigen Justiz.“
Die brisanten Enthüllungen des 30-Jährigen über massive Abhörungen der USA selbst bei Verbündeten belasten auch die für kommende Woche geplanten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Während Frankreich eine Verschiebung erwägt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: „Wir wollen dieses Freihandelsabkommen und wir wollen diese Verhandlungen jetzt aufnehmen.“
EU-Ratspräsidentschaft, Kommission und Parlamentarier verlangten von den USA Aufklärung über die Spionage-Vorwürfe. Justizkommissarin Viviane Reding kündigte die Bildung einer transatlantischen Expertengruppe zu den Vorwürfen an. Die US-Generalstaatsanwaltschaft habe ihr dies zugesichert. Eine erste Tagung sei bereits in diesem Monat vorgesehen, eine zweite Sitzung im September in Washington.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages für die Geheimdienste kam zu einer Sondersitzung zusammen. Auch dort machten Bundesregierung und Nachrichtendienste nach Angaben von SPD und Grünen deutlich, nichts von Spähangriffen gewusst zu haben. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele bezweifelte diese Darstellung.