Syrien-„Freundesgruppe“ wertet Opposition auf
Marrakesch/Damaskus (dpa) - Die Weltgemeinschaft stellt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ins Abseits. Die Syrien-„Freundesgruppe aus über 125 Staaten und Organisationen hat das Oppositionsbündnis Nationale Koalition als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“ anerkannt.
Die Widerstandsbewegung sieht sich gestärkt - und lehnt ein militärisches Eingreifen der „Freundesgruppe“ zu ihren Gunsten ab.
Die „Freundesgruppe“, zu der auch Deutschland, die EU und die USA und viele arabische Staaten gehören, gab die Aufwertung der Nationalen Koalition am Mittwoch zum Abschluss ihres Treffens in Marrakesch bekannt. Die Koalition unter Führung des Geistlichen Muas al-Chatib war erst vor einem Monat gegründet worden. Wegen vieler Streitigkeiten innerhalb der syrischen Opposition war die „Freundesgruppe“ vor einer Anerkennung lange zurückgeschreckt.
Al-Chatib wandte sich auf der Konferenz strikt gegen eine Intervention ausländischer Truppen in Syrien. Die Menschen dort fragten sich, warum jetzt, wo der Sturz des Regimes bevorstehe, über eine Intervention gesprochen werde. Schließlich habe in den vergangenen Monaten, als die Regierungstruppen Wohnviertel bombardierten, niemand eingreifen wollen. Die britische Zeitung „Independent“ hatte zuvor berichtet, Großbritannien, die USA, die Türkei und andere Staaten erwögen eine See- und Luftunterstützung für die Regimegegner. Al-Chatib sagte dazu: „Wir haben keine geheimen Abkommen mit den USA unterzeichnet.“
Außenminister Guido Westerwelle lobte, die Nationale Koalition habe innerhalb weniger Wochen eine „beeindruckende Leistung“ gezeigt. „Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Nur eine politische Lösung, die alle einschließt, wird die Gewalt beenden und einen dauerhaften Frieden bringen.“ Angesichts des Winters stockte die Bundesregierung ihre Hilfe für Opfer des Syrienkonflikts um weitere 22 Millionen auf jetzt mehr 90 Millionen Euro auf.
Auf Initiative Deutschlands und Saudi-Arabiens beschloss die „Freundesgruppe“ auch, einen Hilfsfonds für den Wiederaufbau vorzubereiten. Er soll konkrete Projekte der Opposition finanzieren. Auf keinen Fall dürfen damit Waffen gekauft werden.
In der Abschlusserklärung warnt die „Freundesgruppe“ das Assad-Regime vor jedem Einsatz chemischer oder biologischer Waffen. Dies hätte eine „ernste Antwort“ zur Folge, heißt es wörtlich.
Al-Chatib appellierte an die Angehörigen der alawitischen Minderheit, zivilen Ungehorsam gegen das Regime zu leisten. Viele ausländische Beobachter befürchten, dass es nach dem Sturz Assads zu Massakern an alawitischen Zivilisten kommen könne. Assad und ein großer Teil der Kommandeure der Sicherheitskräfte gehören dieser Minderheit an. In seiner sehr emotionalen Rede betonte Al-Chatib: „Wir sind dagegen, dass man Menschen zu Ungläubigen erklärt und damit dann rechtfertigt, sie zu töten.“
Unklar blieben die Hintergründe eines Massakers in Akrab in der Provinz Hama. Dort waren am Dienstag nach übereinstimmenden Berichten von Revolutionsaktivisten und Regimeanhänger zwischen 125 und 210 Menschen getötet worden. Einige Aktivisten sprachen von einem Rachefeldzug sunnitischer Rebellen gegen die alawitische Minderheit. Anderen Berichten zufolge griffen Deserteure Gebäude an, in denen sich Alawiten versammelt hatten, nachdem diese drei Vermittler getötet hatten. Die Vermittler hätten versucht, die Alawiten dazu zu bewegen, ihre Waffen abzugeben, hieß es. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter forderte die Vereinten Nationen auf, eine Untersuchungskommission an den Ort des Geschehens zu schicken.
US-Präsident Barack Obama hatte schon am Dienstag die syrische Opposition anerkannt. Damit gehe keine Aufnahme von Waffenlieferungen an die Assad-Gegner einher, berichtete ABC unter Berufung auf Regierungskreise. Jedoch sei dazu eine Tür geöffnet worden. Russland warf den USA Wortbruch vor. Die Entscheidung sei ein klarer Verstoß gegen Absprachen, sagte Außenminister Sergej Lawrow Interfax zufolge. Man habe das Ziel eines gesamtsyrischen Dialogs vereinbart.
Das syrische Innenministerium wurde am Mittwoch nach einem Bericht des syrischen Staatsfernsehens mit drei Bomben angegriffen. Die Explosionen hätten die Hauptfassade beschädigt. „Es gibt Berichte über Opfer“, meldete der Sender. Einer der Sprengsätze habe sich in einem Auto befunden. Oppositionelle erklärten, der Anschlag habe einem Konvoi des Innenministers Mohammed Ibrahim al-Schaar gegolten. Die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London sprachen von mindestens acht toten Soldaten und mehr als 40 Verletzten.
Nach Informationen der „New York Times“ setzen syrische Regierungstruppen Scud-Raketen gegen Rebellen ein. In den vergangenen Tagen seien mehrere ballistische Kurzstreckenraketen dieses einst in der Sowjetunion entwickelten Typs von Damaskus aus auf Ziele in Nordsyrien abgefeuert worden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf US-Regierungsbeamte. Diese sprechen den Angaben zufolge von einer „erheblichen Eskalation“ im syrischen Bürgerkrieg.