Syrien-Konflikt: Obama in der Zwickmühle

Im Falle eines Giftgaseinsatzes wollte der US-Präsident militärisch eingreifen. Jetzt windet er sich.

Washington. Es war der 20. August 2012, als sich US-Präsident Barack Obama in eine außenpolitische Zwickmühle manövrierte. Unmissverständlich drohte er damals dem Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad „enorme Konsequenzen“ an, sollte es Chemiewaffen einsetzen. „Das würde meine Kalkulationen erheblich ändern“, ließ Obama die Welt wissen. Es war das erste Mal, dass er in dem Konflikt öffentlich seine „rote Linie“ zog.

Heute hat sich die harte Rhetorik aus Washington kaum verändert. Die Glaubwürdigkeit der Drohungen hingegen hat stark gelitten. Obwohl die US-Regierung von Beweisen für einen Gifteinsatz in Syrien spricht, der „sehr wahrscheinlich“ von Assad ausging, schreckt das Weiße Haus vor Konsequenzen zurück. Dafür müssten erst handfeste Belege her. Offizielle Begründung: Man wolle keine alten Fehler wiederholen — wie etwa im Irak, als Massenvernichtungswaffen als Kriegsgrund dienten, die es am Ende überhaupt nicht gab.

Wie die handfesten Beweise in Syrien beschaffen sein sollen, lassen die US-Verantwortlichen aber offen. Erkenntnisse aus Israel, Frankreich oder Großbritannien reichen ihnen nicht aus. Berichte über Patienten in syrischen Krankenhäusern, die Ende April nach einem Bombenangriff erbrechen und würgen, könnten auch von der Opposition erdacht sein. Für echte Klarheit sei eine UN-Untersuchung nötig. Am besten wäre physisches Beweismaterial — vergiftete Tiere oder Urinproben von Opfern.

So sehr dreht und windet sich das Weiße Haus, dass Kritiker über eine sehr „dünne rote Linie“ spotten, die der Präsident da gezogen habe. Sie nennen ihn entscheidungsschwach und wankelmütig, manche gar machtlos.

Bei mehr als 70 000 Todesopfern und Millionen Flüchtlingen fragt sich die Staatengemeinschaft, wie die „Weltpolizei“ Amerika immer noch zuschauen kann. Der republikanische Senator John McCain beklagt „Gräueltaten in einem Ausmaß, wie wir sie lange, lange nicht gesehen haben“. Um Schlimmeres zu verhindern, müsse das US-Militär mit internationalen Partnern „hineingehen und die Vorräte an Chemie- und Biowaffen sichern“, fordert er. Aber nicht mit Bodentruppen, sondern wie in Libyen kraftvoll, effektiv — und vor allem unblutig.