Syrische Armee rückt in Daraja ein
Beirut/Istanbul (dpa) - Die einstige Rebellenhochburg Daraja steht nach mehrjähriger Belagerung wieder unter Kontrolle des syrischen Regimes. Zuvor durften - wie von der Staatsführung und Aufständischen vereinbart - Einwohner und Kämpfer den wenige Kilometer südlich von Damaskus gelegenen Ort verlassen.
Das berichteten Aktivisten und Staatsmedien am Samstag. Daraja war seit 2012 von der Armee und deren Verbündeten belagert worden. Mitte vergangener Woche wurde nach mehrtägigen Verhandlungen die Evakuierung vereinbart. Im Norden des Bürgerkriegslandes spitzt sich derweil der Konflikt zwischen der türkischen Armee und Kurden-Verbänden zu.
Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, wurden gemäß der seit Freitag geltenden Abmachung mehr als 3200 Menschen, darunter Zivilisten und Kämpfer, in Bussen aus Daraja weggebracht. Die Zivilisten seien zu Unterkünften in eine Gegend im Westen von Damaskus gefahren worden, die unter Kontrolle der Regierung steht. Etwa 800 Kämpfer seien in die von Rebellen beherrschte Provinz Idlib gebracht worden.
Im Juni hatte erstmals nach knapp vier Jahren ein Hilfskonvoi mit Lebensmitteln den belagerten Ort erreicht. Zuvor hatten lediglich Schmuggler durch Tunnel mitunter Nahrung nach Daraja gebracht. Für die Armee ist der Ort wichtig, weil er direkt an einem Militärflughafen liegt. Daraja war regelmäßig Ziel von Luftangriffen des Regimes mit international geächteten Fassbomben.
Der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge besuchte der Gouverneur der Provinz Damaskus, Alaa Ibrahim, den Ort. Er versprach demnach den Wiederaufbau Darajas. Die Regierung hat damit über einen weiteren Teil des Hinterlandes von Damaskus - der Machtbasis von Präsident Baschar al-Assad - die Kontrolle zurückgewonnen. In anderen Teilen gelten teils lokale Waffenstillstände.
Die Oppositionellen werfen der Regierung vor, viele dieser Erfolge lediglich durch Belagerung und Aushungern erreicht zu haben. Nach Schätzung der Vereinten Nationen leben in dem Bürgerkriegsland derzeit etwa 600 000 Menschen in belagerten Orten, die Stadt Aleppo nicht mitgezählt.
Im Norden des Landes stießen derweil von der Türkei unterstützte syrische Rebellen mit Kämpfern des von Kurden angeführten Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF) zusammen. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, auch türkische Panzer seien an den Kämpfen beteiligt. Es waren demnach die ersten direkten Zusammenstöße zwischen der türkischen Armee und den von Kurden angeführten Kräften.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Samstagabend, bei einem Angriff von Kurden im Norden Syriens seien ein türkischer Soldat getötet und drei weitere verletzt worden. Ziel der Attacke seien zwei Panzer gewesen. Die türkische Armee habe darauf mit Artilleriefeuer reagiert, hieß es ohne weitere Details. Es ist der erste Bericht über türkische Opfer seit dem Start des türkischen Militäreinsatzes in Nordsyrien am Mittwoch.
Bei den Demokratischen Kräften Syriens handelt es sich um ein von der Kurdenmiliz YPG angeführtes Bündnis, das vor allem die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekämpft. Unterstützt wird es dabei von Luftangriffen der US-geführten internationalen Koalition.
Die Kurden kontrollieren bereits große Gebiete an der Grenze zur Türkei und haben dort eine Selbstverwaltung errichtet. Die türkische Regierung will verhindern, dass die Kurden noch mehr Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. Sie befürchtet Auswirkungen auf die kurdischen Autonomiebestrebungen im eigenen Land. Die Kurdenpartei PYD und die Miliz YPG sind eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden, die von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird.
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sagte der „Welt am Sonntag“, nachdem die Türkei das Ziel der Ablösung Assads vorerst aufgegeben habe, sollte der Westen diesem Beispiel folgen. „Die Fakten sind einfach so. Wir können sie nicht ignorieren.“ Moralisch und politisch sei das außerordentlich bedauerlich, so Ischinger. „Denn es ist ja richtig, dass man einen Massenmörder bekämpfen sollte. Aber dann muss man eben auch etwas dafür tun. Wir haben nichts oder zu wenig getan. Damit ist dieser Plan gescheitert.“