Medienbericht Verkündet Theresa May am Freitag ihren Rücktritt?
London · Die britische Premierministerin Theresa May will am Freitag offenbar ihren Rücktritt verkünden. Das meldet die Tageszeitung „The Times“ am Donnerstagmorgen.
Nach einem Tag politischer Nackenschläge kämpft Theresa May um ihr politisches Überleben und Vermächtnis. Am Mittwochabend verlor die britische Premierministerin mit dem Rücktritt der Ministerin für Parlamentsfragen eine wichtige Mitstreiterin.
An diesem Donnerstag muss sie bangen, ob weitere Minister ihren Hut nehmen und die Briten ihre Tory-Partei bei der Europawahl abstrafen.
Am Freitag trifft May dann den Leiter des 1922-Ausschusses ihrer Konservativen Partei, Graham Brady. Der Ausschuss regelt die Wahl und Abwahl des Parteichefs. May soll nach Medienberichten dann verbindlich erklären, wann sie zurücktritt. Ansonsten soll ihr ein parteiinternes Misstrauensvotum und damit praktisch ein Rauswurf drohen.
Am Mittwochabend hatte der 1922-Ausschuss sich laut britischen Medien noch nicht zu einer Regeländerung durchgerungen, die Mays schnelle Abwahl ermöglicht hätte. Würde May als Parteichefin gestürzt, müsste sie nach britischer Tradition auch ihr Regierungsamt aufgeben. Bislang kann ein Misstrauensvotum in der Partei nur einmal in zwölf Monaten stattfinden - und der jüngste Versuch war erst im Dezember 2018 gescheitert.
Der 1922-Ausschuss endstand aus einer Initiative von Abgeordneten aus dem Jahr 1922, die damit die innerparteiliche Zusammenarbeit verbessern wollten. Die eigentliche Gründung war aber erst 1923.
Mit einer Kampfrede warb May am Mittwoch im Parlament für ihre jüngsten Pläne für den EU-Austritt. Sie stellte dabei sogar eine Abstimmung über ein Referendum über ihr Austrittsabkommen in Aussicht. Doch die Reaktionen waren verheerend. Forderungen nach ihrem Rücktritt wurden lauter. Am Ende trat sogar ihre Ministerin für Parlamentsfragen, Andrea Leadsom, aus Protest gegen ihre Pläne zurück.
Ihren neuen Gesetzentwurf will May am Freitag veröffentlichen. Allerdings ist sie bereits drei Mal mit ihrem Brexit-Deal im Parlament gescheitert. Und auch diesmal stehen die Zeichen schlecht. Leadsom erklärte in ihrem Rücktrittsschreiben, sie glaube nicht, dass der Ansatz der Regierung den Wählerwillen aus dem Brexit-Referendum von 2016 erfülle. Die Gesetzesinitiativen zum EU-Austritt seien vom Kabinett weder vernünftig geprüft noch gebilligt worden. Indirekt rief sie May zum Rücktritt auf. „Ich fordere Sie jetzt auf, die richtigen Entscheidungen im Interesse des Landes zu treffen.“
Leadsom nahm als „Leader of the House of Commons“ eine zentrale Rolle im Kabinett der Premierministerin Theresa May im Konflikt mit dem Parlament ein. Die Brexit-Befürworterin war nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt 2016 und dem Rücktritt von David Cameron als Regierungschef zunächst gegen May angetreten, hatte sich dann aber aus dem Rennen zurückgezogen. Es galt nicht als ausgeschlossen, dass noch weitere Kabinettsmitglieder ihren Hut nehmen.
Oppositionschef Jeremy Corbyn bezeichnete Mays Vorschläge als „wenig mehr als eine neu verpackte Version“ des bereits mehrfach abgelehnten Abkommens. May habe nur noch Tage im Amt, prophezeite Corbyn und forderte eine Neuwahl.
Der konservative Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Tom Tugendhat, rief May dazu auf, ihren Rücktritt nach der britischen Wahl zum Europaparlament anzukündigen. „Es gibt noch eine letzte Gelegenheit, es richtig zu machen und in geregelter Weise zu gehen“, schrieb Tugendhat in der „Financial Times“ (Donnerstag).
Die Briten hatten vor fast drei Jahren in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Sie nehmen nur deshalb an der Europawahl teil, weil May im Parlament bisher keine Mehrheit für das Austrittsabkommen bekam. Der EU-Austritt wurde deshalb auf spätestens 31. Oktober verschoben.
Umfragen sagen eine krachende Niederlage für Mays Konservative bei der Europawahl voraus. Großer Wahlfavorit ist die EU-feindliche Brexit-Partei von Nigel Farage, die nach Umfragen bei 38 Prozent liegt. Ein solches Ergebnis könnte Mays Sturz beschleunigen. Die Ergebnisse werden erst am Sonntag veröffentlicht. Sollte May stürzen, gilt eine Neuwahl als wahrscheinlich, weil die Konservativen keine eigene Mehrheit im Parlament haben und für Nachverhandlungen mit der EU politischer Spielraum fehlt.
Ein Brexit ohne Abkommen ist das Ziel einiger konservativer Brexit-Hardliner wie Ex-Außenminister Boris Johnson. Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Mays. Sollte bis zum Ende der Austrittsfrist am 31. Oktober nichts anderes vereinbart werden, würde es zu einem sogenannten No-Deal-Brexit kommen. Bei solch einem Austritt ohne Vertrag würde die zwischen London und Brüssel vereinbarte Übergangsphase bis Ende 2020 wegfallen, innerhalb derer sich trotz Brexits erstmal fast nichts ändern sollte. Von heute auf morgen wären Dutzende rechtliche Fragen ungeklärt oder nur einseitig geregelt.
Ein Ausweg könnte ein zweites Referendum über den Brexit sein. Theoretisch könnte Großbritannien den Brexit auch einfach absagen, und sei es nur, um Zeit für eine bessere Vorbereitung des EU-Austritts zu bekommen.