Tote bei Demo vor Bundeswehr-Lager in Afghanistan

Talokan/Berlin (dpa) - Bei einer gewaltsamen Demonstration vor einem Bundeswehrcamp in Nordafghanistan sind bis zu zwölf Zivilisten getötet sowie drei deutsche Soldaten und vier afghanische Wachleute verletzt worden.

Auslöser der Proteste am Mittwoch waren Vorwürfe gegen die Internationale Schutztruppe Isaf, sie habe zuvor vier Zivilisten getötet. Nach Isaf-Angaben handelte es sich dagegen um Aufständische. Die deutschen Soldaten wurden verletzt, als Demonstranten Handgranaten und Molotowcocktails warfen.

Zwei Deutsche seien leicht, einer „mittelschwer“ verwundet worden, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am Mittwoch auf seiner Internetseite mit. Die Soldaten würden im Rettungszentrum des Regionalen Wiederaufbauteams Kundus medizinisch versorgt. Die Verletzten hätten ihre Angehörigen über ihren Zustand selbst informiert.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, es sei unklar, ob deutsche Soldaten auf Demonstranten geschossen hätten. Dies werde untersucht. Die Lage in der Provinzhauptstadt Talokan, wo sich das Bundeswehrlager befindet, sei am Nachmittag ruhig gewesen. Nach Angaben des Ministers waren aber für den weiteren Tagesverlauf neue Demonstrationen angekündigt.

Die Grünen machen den Zwischenfall zum Thema im Bundestag. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele erklärte am Mittwoch in Berlin, der Vorfall nähre den Verdacht, „dass Razzien und gezielte Tötungen von US-"Kill Teams" zu Destabilisierung und mehr Unsicherheit im Verantwortungsbereich der Bundeswehr in Afghanistan führen“. Er habe dazu für die nächste Fragestunde des Bundestags am Mittwoch kommender Woche eine entsprechende Anfrage an die Bundesregierung eingereicht.

Nach Bundeswehrangaben waren afghanische Sicherheitskräfte zum Schutz des Lagers eingesetzt. Gegen angreifende Demonstanten seien auch Schusswaffen eingesetzt worden. Dabei seien zehn Demonstranten getötet und 40 verletzt worden. Die afghanischen Behörden sprachen dagegen von zwölf toten Demonstranten und über 80 Verletzten.

Die Bundeswehr unterhält in Talokan nur ein kleines Camp - ein sogenanntes Provinz-Beratungsteam (Provincial Advisory Team/PAT). Dort sind nach Bundeswehrangaben 44 deutsche Soldaten eingesetzt. Talokan ist demnach mit rund 200 000 Einwohnern die zehntgrößte Stadt Afghanistans.

Die Bundeswehr teilte mit, an der Demonstration gegen die vorangegangene Isaf-Aktion hätten sich etwa 100 Menschen beteiligt. Afghanische Polizisten versuchten demnach zunächst mit Warnschüssen, die Demonstration aufzulösen. Daraufhin seien die Protestierenden in Richtung Innenstadt gezogen und hätten Geschäfte und Autos in der Nähe des Camps zerstört. Später seien die Demonstranten zurückgekehrt. Die Lage sei eskaliert, dabei seien die deutschen Soldaten und die afghanischen Wachmänner verletzt worden.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich sehr beunruhigt über die Demonstrationen. „Wir erwarten, dass die Verantwortlichen alles in ihrer Macht tun, um die Lage zu beruhigen, damit Demonstrationen nicht eskalieren“, sagte er in Berlin. „Die Nachrichten aus Afghanistan sind erschütternd.“ Das zeige, dass der Dialog und die Stabilisierung der Gesellschaft in Afghanistan fortgesetzt werden müssten.

Die Menschen in Talokan demonstrierten gegen eine Isaf-Operation in der Stadt in der Nacht zu Mittwoch, bei der zwei Frauen und zwei Männer getötet wurden. Der Polizeichef Tachars, Schah Dschehan Nuri, sagte: „Sie waren alle Zivilisten.“ Er verurteilte die Operation, die nach seinen Worten nicht mit afghanischen Sicherheitskräften abgesprochen war. Deutsche Soldaten hatten an dem Isaf-Einsatz nach Angaben der Bundeswehr nicht teilgenommen.

Die Nato-geführte Isaf teilte mit, es habe sich um Angehörige der Islamischen Bewegung Usbekistans gehandelt. Afghanische und ausländische Truppen hätten die vier Aufständischen getötet. Bei den ausländischen Kräften bei nächtlichen Operationen handelt es sich in der Regel um US-Spezialeinheiten.

Bei einer gewaltsamen Demonstration in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif waren Anfang vergangenen Monats vier nepalesische und drei europäische UN-Mitarbeiter von einem Mob getötet worden. Auch vier Demonstranten waren ums Leben gekommen. Die Proteste hatten sich gegen eine Koran-Verbrennung in den USA gerichtet.

Bei einem Bombenanschlag im Osten Afghanistans starben am Mittwoch mindestens 13 Menschen. Weiter 20 Menschen wurden verletzt, als ein Selbstmordattentäter in einem Vorort von Dschalalabad mit seinem mit Sprengstoff vollgepackten Auto einen Polizeibus rammte und den Sprengsatz zündete.