Trotz Feuerpause bleibt die Lage explosiv

Nato-Staaten beginnen mit Kiew inmitten der Krise ein Manöver im Schwarzen Meer. Eine Provokation, kritisiert Moskau.

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Donezk. Im Kampf gegen die prorussischen Separatisten ist es ein klares Signal der Entschlossenheit. Überraschend reist der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in die Frontstadt Mariupol, in der noch in der Nacht trotz der vereinbarten Feuerpause Granaten einschlugen und eine Frau töteten. „Das ist unser Land, wir geben es niemals auf“, ruft der prowestliche Staatschef den leidgeprüften Einwohnern der strategisch wichtigen Hafenstadt gestern kämpferisch zu.

Auf eine brüchige Waffenruhe und das Wort der Aufständischen will sich die Führung in Kiew nach verlustreichen Gefechten nicht mehr verlassen. Dass die prorussischen Separatisten nicht allein auf dem Schlachtfeld besiegt werden können, ist allerdings auch für Poroschenkos Berater Juri Luzenko eine unbequeme Wahrheit. In Verhandlungen ringen die Konfliktparteien daher um eine Lösung der Krise.

Klar ist: Bei all diesen Treffen mit ihrem „Feind“ denkt die Führung in Kiew eine militärische Lösung mit. Dennoch war es ein Paukenschlag, als Luzenko am Sonntag plötzlich panzerbrechende Waffen der Nato für den Krieg im Osten ankündigte. Es wäre ein Tabubruch für den Westen und eine Provokation für Russland gewesen.

Doch die vermeintliche Sensation hielt keine Stunde. Eben noch hatte Luzenko von „erfolgreichen Verhandlungen“ mit fünf Nato-Mitgliedern gesprochen, da hagelte es Dementi aus dem Ausland. Kleinlaut entschuldigte sich der Ex-Innenminister.

Prompt kam Spott aus Moskau. Die Ukraine sei kein Hochtechnologieland für Waffen, sondern höchstens eine „Müllkippe für alte Sowjetausrüstung“, höhnte der Militärexperte Viktor Litowkin im Staats-TV.

Doch es kommen auch schärfere Töne aus Moskau. Inmitten der Spannungen in der Ostukraine haben die USA und die Ukraine gestern mit einem Manöver im Schwarzen Meer begonnen. Einen „Schritt auf dem Weg zu mehr Stabilität und Partnerschaft“ nennt der Befehlshaber der ukrainischen Seestreitkräfte, Sergej Gajduk, die Übung. Drei Tage lang kreuzen Kriegsschiffe unweit der von Russland annektierten Halbinsel Krim. „Völlig unverantwortlich“ nennt das der Moskauer Außenpolitiker Alexej Puschkow.

Für Russland ist ein Militärmanöver der Nato mit der Ukraine keine bloße Symbolpolitik. Moskau sieht die Übung als massiven Eingriff in seine Sicherheit. Immer wieder sieht sich die Atommacht zu Unrecht an den Pranger gestellt, wenn sie selbst Großmanöver abhält. Als Provokation im Ukraine-Konflikt kritisiert dies der Westen. Für die kommende Woche kündigt Kiew nun die nächste Übung an, dann mit vier Beobachtern der Bundeswehr. Die Nato mache genau das, was sie Russland immer vorwerfe, kritisieren Moskauer Militärexperten.

Für den russischen Politikwissenschaftler Andrej Okara sind die Vereinbarungen der Konfliktparteien vom 5. September in Minsk angesichts der aktuellen Entwicklungen „inhaltsleer“. Es gebe auf keiner Seite einen wirklichen Willen zum Kompromiss. „Machen wir uns nichts vor — die Zeichen stehen auf Sturm“, meint Okara.