Trotz Verbots weiter Proteste in Spanien

Madrid (dpa) - Einen Tag vor den Kommunalwahlen in Spanien haben Zehntausende Menschen trotz eines Verbots erneut ihrem Unmut über die Wirtschaftsmisere und die hohe Arbeitslosigkeit Luft gemacht.

Die Protestbewegung „Echte Demokratie Jetzt!“ setzte sich damit wie angekündigt über die zentrale Wahlkommission hinweg, die wegen des Urnengangs jegliche Kundgebungen am Wochenende untersagt hatte. Der Bann war um Mitternacht in Kraft getreten.

„Wir lassen uns nicht vertreiben“, skandierten Demonstranten in der Nacht zum Samstag in Madrid, Barcelona, Valencia oder Sevilla. Insgesamt hatte die Protestbewegung der „jungen Empörten“ zu Kundgebungen in rund 150 Städten aufgerufen. Viele Teilnehmer schlossen sich daraufhin den mehr als 60 Protestcamps im Land an.

Um eine Eskalation zu vermeiden, griff die Polizei auf Anweisung der Regierung nicht ein. Das Innenministerium kündigte an, es werde die Kundgebungen dulden, solange diese friedlich verlaufen. Die konservative Presse warf Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero am Samstag vor, er habe sich von den Demonstranten in die Knie zwingen lassen. Der sozialistische Regierungschef hatte schon am Vortag ein hartes Durchgreifen ausgeschlossen und deutlich gemacht, er werde es nicht auf eine Zuspitzung ankommen lassen.

Die Protestbewegung denkt angesichts des Erfolgs inzwischen darüber nach, die Demonstrationen für unbestimmte Zeit fortzusetzen. Ursprünglich sollten sie nur bis zum Wahltag dauern. „Es ist fantastisch, wir schreiben Geschichte. Darüber werden noch unsere Kinder und Enkelkinder lesen“, sagte eine Sprecherin der Bewegung am Samstag auf dem Platz der Puerta del Sol im Herzen Madrids. „Die Welt schaut auf uns“, meinte ein anderer Aktivist angesichts des steigenden Interesses internationaler Medien.

Die Demonstranten machten der Wahlbehörde am siebten Tag ihrer Proteste aber auch Zugeständnisse. So wurde beschlossen, vor der Abstimmung auf politische Parolen zu verzichten und auch keine Partei namentlich anzugreifen. Stattdessen riefen sie einen „Tag der kollektiven Besinnung“ aus. Bislang hatten Teile der Bewegung dazu aufgerufen, weder die Sozialisten Zapateros noch die konservative Volkspartei (PP) zu wählen.

Das Demonstrationsverbot wirkte wie ein Katalysator und sorgte dafür, dass mehr Menschen als in den Tagen zuvor auf die Straße gingen. Kleinere Kundgebungen zur Unterstützung der „spanischen Revolution“ fanden nach Berichten des Fernsehens auch in Brüssel, Amsterdam, London, Prag, Budapest und Rabat statt.

Zapatero äußerte erneut Verständnis für die Proteste. „Die Forderungen und Demonstrationen machen uns keine Angst, sondern verpflichten uns, nach Lösungen zu suchen“, sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung am Freitagabend in Madrid. Zapateros Sozialisten (PSOE) müssen bei den Regional- und Kommunalwahlen am Sonntag mit einer herben Niederlage rechnen.

Auslöser der Protestaktionen war die Krise in Spanien. Jeder fünfte Erwerbsfähige in dem Land ist ohne Job, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 45 Prozent. Wegen der hohen Verschuldung setzte die Regierung einen strengen Sparplan durch: Beamtengehälter wurden gekürzt, Renten eingefroren, Kündigungen erleichtert.