Türkei bekommt neue Militärführung
Istanbul (dpa) - Nach dem Rücktritt der gesamten türkischen Militärführung will die türkische Regierung an diesem Montag mit den ranghöchsten Generälen über den neuen Generalstab entscheiden. Präsident Abdullah Gül wird die Sitzung des Hohen Militärrats leiten.
„Ich erwarte, dass das flott durchgeht“, sagte der Politologe Kemal Kirisci von der Bosporus Universität am Sonntag. Am Freitag hatten der türkische Generalstabschef Isik Kosaner sowie die Stabschefs der Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe den Rücktritt erklärt und damit Spekulationen über einen Machtkampf der Militärs mit der islamisch-konservativen Regierung angefacht. Gül ernannte daraufhin den bisherigen Chef der Militärpolizei, General Necdet Özel, zum Oberkommandierenden des Heeres. Es wird erwartet, dass Özel, der viel Erfahrung im Kampf gegen kurdische Untergrundkämpfer hat, am Montag auch Generalstabschef wird.
Gül versuchte, Befürchtungen über Folgen für die Stabilität des NATO-Landes zu zerstreuen. „Alles geht seinen geregelten Gang. Wie Sie sehen, gibt es kein Machtvakuum“, sagte Gül am Samstag laut dem Sender CNN Turk.
Kosaner begründete seinen Rücktritt mit den Worten, er habe ihm untergebene Offiziere nicht vor einer Strafverfolgung wegen angeblicher Umsturzpläne schützen können. Die Zeitung „Milliyet“ zitierte aus einer Erklärung Kosaners, wonach derzeit 173 Generäle und andere Militärangehörige unter dem Vorwurf der Verschwörung gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Haft seien. Gül entgegnete, die Ermittlungen würden von unabhängigen Richtern ohne Einmischung der Regierung geleitet.
Der Rücktritt des Generalstabs hat in der türkischen Öffentlichkeit erheblichen Wirbel ausgelöst. Die Streitkräfte gelten jetzt als Verlierer im Machtkampf mit der islamisch-konservativen Regierung. Früher konnte die Armee, die sich in der Tradition von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk als Verfechter der Trennung von Staat und Religion sieht, in aller Regel ihre Personalvorstellungen durchsetzen. Die Regierungspartei AKP ist dagegen bemüht, den Einfluss der Armee auf die Politik des Landes zurückzudrängen.