Hochspannung im US-Schuldendrama
Washington (dpa) - Den USA droht in wenigen Tagen die finanzielle Bankrotterklärung. Doch die politischen Kontrahenten verweigern sich weiter einer Einigung. Unter Zeitdruck wird hinter den Kulissen gerungen - eine Nachtsitzung im Senat könnte Hoffnung bringen.
Die Demokraten haben dort erneut einen Vorschlag vorgelegt, um bis zum Stichtag am Dienstag das Schuldenlimit zu erhöhen. Derweil sickern erste Details eines Notfallplans des Finanzministeriums durch.
Der Entwurf sieht massive Einsparungen in Höhe von 2,4 Billionen Dollar für die nächsten zehn Jahre vor. Im nächsten Jahr - dem Jahr der Präsidentenwahl müsste sich das Parlament nicht mehr ausdrücklich mit dem Thema Schuldenlimit befassen. Präsident Barack Obama will unbedingt verhindern, dass er 2012 erneut unter Druck der oppositionellen Republikaner gerät.
Völlig unklar war am Samstag, ob sich die Kontrahenten noch zu einem Kompromiss durchringen können. Doch die Uhr tickt: Der parlamentarische Fahrplan sieht vor, dass der Senat frühestens in der Nacht zum Sonntag (nicht vor Sonntag sieben Uhr MESZ) durch ein Votum das Filibustern der Republikaner beenden könnte. Dazu bräuchten die Demokraten aber 60 Stimmen - sie wären auf die Hilfe von Unabhängigen und einigen Republikanern angewiesen.
Daher gilt dieses Votum als entscheidender Meilenstein: dann wird zu sehen sein, ob die Bereitschaft zum Kompromiss auf beiden Seiten vorhanden ist oder nicht. Erst am frühen Montagmorgen (nach 13 Uhr MESZ) könnte dann im Senat inhaltlich über einen Entwurf abgestimmt werden - dann genügt allerdings die einfache Mehrheit. Danach hätte wieder das von Republikanern beherrschte Abgeordnetenhaus das Wort.
Bisher hatten sich Demokraten und Republikaner nicht aufeinander zubewegt. Noch in der Nacht zum Samstag blockierten sie sich erneut im Parlament. Falls bis zum 2. August kein Kompromiss gelingt, wären die USA voraussichtlich zahlungsunfähig - erstmals in der Geschichte.
Obama rief am Samstag erneut zum Kompromiss auf. „Die Parteien liegen nicht so weit auseinander“, sagte er in seiner traditionellen Wochenendbotschaft. „Es gibt viele Wege aus diesem Schlamassel... Aber die Zeit ist sehr knapp.“ Er hoffe, dass ihm am Dienstag ein Gesetzentwurf vorliege, dem er zustimmen könne. Unterdessen bereitet sich das Finanzministerium schon auf den „Tag X“ vor. Oberste Linie: Schulden und Zinsen sollen auf alle Fälle bezahlt werden. Nach einem Bericht der „Washington Post“ können auch die zum Monatsbeginn anfallende Sozialhilfe-Leistungen noch gezahlt werden. Doch bereits in wenigen Tagen „verliert die Regierung ihre Fähigkeit, allen Zahlungen nachzukommen“.
Mehrere Ratingagenturen drohen im Falle einer Zahlungsunfähigkeit mit schweren Konsequenzen. Experten fürchten unabsehbaren Folgen für die gesamte Weltwirtschaft.
In der Nacht zum Samstag lieferten sich Republikaner und Demokraten ein erneutes Kräftemessen im Parlament. Die Republikaner im Abgeordnetenhaus setzten in einem erneuten Anlauf einen Antrag durch, der das Schuldenlimit von derzeit 14,3 Billionen Dollar (zehn Billionen Euro) um 900 Milliarden erhöhen würde. 218 Abgeordnete stimmten dafür, 210 dagegen.
Doch bereits zwei Stunden später wies der von den Demokraten beherrschte Senat den Antrag zurück. 59 Senatoren stimmten gegen den Republikaner-Vorschlag, nur 41 votierten dafür.
Allerdings hatten die Abstimmungen eher symbolische Bedeutung: Obama hatte bereits zuvor klargemacht, dass er ein Veto einlegen werde, weil nach dem Republikaner-Vorschlag das Schuldenlimit im Wahljahr 2012 erneut heraufgesetzt werden müsste - was er verhindern will. Obama fürchtet, eine erneute Schuldendebatte könnte ihm vor den Wahlen schwer schaden.
Demokraten und Republikaner schoben sich gegenseitig die Schuld an der Blockade zu. Republikanerführer John Boehner rief die Demokraten auf, sich hinter seinen Antrag zu stellen: „Unterstützen Sie diesen Gesetzentwurf, beenden Sie jetzt diese Krise.“ Dagegen forderte der demokratische Senats-Fraktionschef Harry Reid die Republikaner auf, sich „wie Erwachsene“ zu verhalten und Kompromissbereitschaft zu zeigen. Die übliche Blockade-Strategie des Filibusterns (Dauerredens) müsse beendet werden.
Vor den Abstimmungen äußerte sich das Weiße Haus tief besorgt über die verfahrene Lage. „Es ist todernst“, meinte Regierungssprecher Jay Carney. „Wir müssen die Pattsituation beenden.“