Überleben in der Hölle Südafrikas
Mord, Bestechung und Vergewaltigung gehören zum Alltag der Häftlinge.
Kapstadt. „Im Gefängnis herrscht Krieg“ — auf diesen einfachen Nenner brachte es der südafrikanische Ex-Gefängniswärter Zukisa Matanjana vor einer Untersuchungskommission. Häftlinge berichten von einem erschreckenden Ausmaß der alltäglichen Gewalt und Korruption des Personals. Jährlich gibt es mehrere tausend Beschwerden über Gewalttaten hinter Gittern. Obwohl Menschenrechtsorganisationen seit langem klagen und staatliche Institutionen den Horror in Südafrikas Gefängnissen kaum beschönigen, gibt es nur wenige Ansätze für Hilfe und Reformen.
Das öffentliche Interesse ist trotz der Berichte und Enthüllungsgeschichten wie jüngst von der Wochenzeitung „Mail & Guardian“ gering. Die Südafrikaner sorgen sich um den Kampf gegen das enorme Ausmaß von Gewaltkriminalität im Land — und nicht darum, was hinter Gittern passiert.
Völlig absurde Meldungen aus den Gefängnissen werden von den Behörden schon gar nicht mehr dementiert. Kürzlich ging ein Bericht um die Welt, dass allein im Pollsmoor-Gefängnis in Tokai nahe Kapstadt täglich bis zu 46 Gefangene ermordet werden. Das ist zwar Unsinn, aber die Wirklichkeit ist übel genug. Als „unglaublich deprimierend“ bezeichnete das Justizministerium in Pretoria jüngst die Lage in den Gefängnissen in einem Bericht an das Parlament.
Fast 6000 Gewalttaten gab es offiziellen Angaben zufolge 2009 in den südafrikanischen Gefängnissen. In 55 Fällen „eines unnatürlichen Todes“ seien keine Ermittlungen gegen verdächtige Wärter eingeleitet worden, rügte der nationale Gefängnis-Beauftragte Tom Moyane. Dabei werden mehr Gefangene von Wärtern getötet als von Mitgefangenen, heißt es in dem Bericht seiner Behörde.
Schon vor Jahren hatte die „Jali-Kommission“ ein „entsetzliches Ausmaß sexueller Gewalt“ angeprangert. Gefängniswärter würden junge Strafgefangene meistbietend an ältere Gefangene versteigern. Etwa 160.000 Menschen befinden sich in Südafrika hinter Gittern. Das entspricht einer Überbelegung der Gefängnisse von 40 Prozent. Allerdings war die Situation vor zehn Jahren noch schlimmer, so eine Analyse des Politikinstituts SIRR.
Besonders übel sind offenbar die Zustände im Hochsicherheitsgefängnis Pollsmoor, wo in der Apartheid-Zeit auch Nationalheld Nelson Mandela einsaß. Hier dominieren brutale Gangs, deren Namen „26“, „27“ oder „28“ von den Blocks stammen, in denen sie untergebracht sind. Das Oberste Gericht der Provinz Western Cape bezeichnete die Zustände in dem Gefängnis mit mehr als 6000 Insassen als „Verletzung der Menschenwürde“.
Dem britischen Fernsehjournalisten Ross Kemp gelang es 2008, den berüchtigten Banden-Chef John Mongrel in Pollsmoor zu interviewen: Der mächtige Boss der „28er-Gang“, der laut Kremp einmal einem Wärter ein Auge herausschnitt, erzählte offen von der täglichen Gewalt und seinen Vergewaltigungen. Er schilderte auch, wie man aus einer Zahnbürste eine tödliche Waffe macht.