Kämpfe gehen weiter UN: Hunderte Männer aus Aleppo verschwunden

Aleppo (dpa) - Hunderte Männer aus Rebellengebieten der umkämpften syrischen Stadt Aleppo sind den UN zufolge nach der Flucht in Regierungsviertel verschwunden.

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Zudem gebe es Berichte, bewaffnete Gruppen der Opposition hätten Zivilisten von der Flucht abgehalten, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, in Genf. Die Zivilisten säßen zwischen den Kriegsparteien fest, die offensichtlich gegen das humanitäre Völkerrecht verstießen. Trotz einer von Russlands Außenminister Sergej Lawrow verkündeten Waffenruhe gingen die Kämpfe weiter.

Lawrow sieht dennoch Chancen für eine Absprache mit den USA über Aleppo. „Wenn sich die US-Experten nicht wieder etwas ausdenken und auf den Tisch legen - wie zuletzt vor ein paar Tagen -, dann gibt es eine sehr gute Möglichkeit, sich zu einigen“, sagte er in Hamburg.

Aleppo gehört zu den umkämpftesten Gebieten in dem fast sechs Jahre dauernden syrischen Bürgerkrieg. Die Armee und verbündete Milizen aus Nachbarländern hatten in den vergangenen Wochen rund 80 Prozent der bisherigen Rebellengebiete in Ost-Aleppo erobert.

Die humanitäre Lage in den schrumpfenden Rebellengebieten wird immer dramatischer. Nach Angaben der Menschenrechtsbeobachter sind mittlerweile 100 000 Menschen von dort geflohen, davon 70 000 in Viertel unter Kontrolle von Regimekräften. Das UN-Nothilfebüro OCHA sprach von 40 000 Vertriebenen, die in Gebieten unter Kontrolle der Regierung oder von Kurden Zuflucht gefunden hätten. In den verbliebenen Rebellengebieten sollen noch rund 100 000 Menschen sein.

UN-Sprecher Colville erklärte, die Familien der verschwundenen Männer hätten seit Tagen nichts von ihnen gehört. Die Männer seien zwischen 30 und 50 Jahre alt. Angesichts der Berichte über willkürliche Festnahmen der syrischen Streitkräfte sei man sehr besorgt.

Die UN hätten außerdem Berichte erhalten, dass bewaffnete Oppositionsgruppen auf fliehende Zivilisten geschossen hätten. Die Al-Kaida-nahe Fatah-al-Scham-Front sowie eine weitere radikale Miliz sollen demnach eine unbekannte Zahl an Zivilisten verschleppt und getötet haben, nachdem diese um den Abzug der Gruppen gebeten hatten.

Lawrow betonte, eine am Donnerstag einseitig ausgerufene Feuerpause in Aleppo sei nur vorübergehend, um den Menschen zu ermöglichen, die Stadt zu verlassen. Von einem „kompletten Waffenstillstand“ habe er nie gesprochen. Anschließend werde solange weitergekämpft, „bis die Banditen die Stadt verlassen“ hätten.

Die Kämpfe gingen auch nach der verkündeten Waffenruhe weiter. Kräfte des Regimes hätten die Rebellengebiete mit Artillerie und aus der Luft angegriffen, meldete die Beobachtungsstelle. Die zivilen Rettungshelfer Weißhelme erklärten, 25 Menschen seien bei einem Luftangriff getötet worden. Den Menschenrechtler zufolge beschossen zugleich Rebellen Viertel unter Kontrolle der Regierung. Dabei seien acht Menschen ums Leben gekommen.

Syriens Führung hatte in dieser Woche erklärt, sie werde einer Waffenruhe erst zustimmen, wenn die Rebellen aus Aleppo abziehen. Die Regimegegner fordern, zunächst müssten Verletzte und Zivilisten unter Aufsicht der Vereinten Nationen die Stadt verlassen können.

Russische und amerikanische Experten sollen an diesem Samstag in Genf über einen möglichen Abzug von Kämpfern aus Ost-Aleppo beraten. Parallel dazu findet in Paris ein Ministertreffen der sogenannten Syrien-Freundesgruppe statt, bei dem auch US-Außenminister John Kerry und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dabei sind.

Da die Viertel unter Kontrolle von Oppositionskräften seit Wochen blockiert sind, wird dort die humanitäre Lage immer dramatischer. Hilfsorganisationen und Aktivisten berichten von akutem Mangel an Trinkwasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung.