Brüchige Waffenruhe UN wollen Verletzte aus Aleppo herausbringen
Aleppo/Genf (dpa) - Trotz Verstößen gegen die Waffenruhe wollen die UN am Freitag versuchen, erstmals Verwundete und Kranke aus den belagerten Rebellengebieten der nordsyrischen Stadt Aleppo zu bringen.
Die erforderlichen Sicherheitsgarantien für humanitäre Helfer seien endlich von allen Konfliktgegnern zugesagt worden, teilte der UN-Koordinator für Nothilfe in Syrien, Jan Egeland, in Genf mit. Russland und Syrien stimmten nach seinen Worten einer Verlängerung der einseitigen Feuerpause für Aleppo bis Samstag zu. Allerdings waren dort schon am Donnerstag trotz einer neuen Waffenruhe Gefechte zwischen Regimekräften und Rebellen ausgebrochen.
Beide Seiten hätten sich in der Nähe eines Korridors beschossen, über den Oppositionskämpfer den von Regimegegnern kontrollierten Osten Aleppos verlassen können, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Dabei seien mindestens drei Menschen verletzt worden. In den anderen Gebieten der Stadt sei Ruhe eingekehrt.
Die von Russland und Syrien einseitig ausgerufene Waffenruhe hatte am Donnerstagmorgen begonnen und sollte elf Stunden dauern. Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete unter Berufung auf die Armeeführung, die Feuerpause werde um zwei Tage verlängert. Sie gelte auch am Freitag und Samstag jeweils von 8.00 bis 19.00 Uhr Ortszeit (07.00-18.00 Uhr MESZ). Egeland bestätigte das elfstündige Zeitfenster zur Versorgung Notleidender später. Die UN hofften zudem auf eine weitere Verlängerung bis mindestens Montag.
Die russische Regierung äußerte sich jedoch zurückhaltend. Es bestehe die Gefahr, dass Terroristen die Atempause für Angriffe, zum Aufstocken ihrer Munition oder zur Umgruppierung nutzten, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. „Und dann gibt es natürlich keine humanitäre Pause“, sagte er der Agentur Interfax zufolge.
Egeland sagte am Donnerstag vor Reportern in Genf: „Wir hoffen sehr, dass die ersten medizinischen Evakuierungen morgen stattfinden können.“ Sicherheitserklärungen für die Helfer hätten inzwischen sowohl Syrien und Russland als auch die Aufständischen abgegeben, die den Osten Aleppos kontrollieren. Egeland wies darauf hin, dass eine Evakuierungsaktion für möglicherweise Hunderte von Verletzten angesichts der angespannten Lage in Aleppo dennoch gefährlich werden könne. „Da kann auch jederzeit etwas schiefgehen“, sagte er.
Sana berichtete, einige bewaffnete Kämpfer seien aus dem Ostteil Aleppos abgezogen. Die gewöhnlich gut informierten Menschenrechtsbeobachter erklärten hingegen, einige Menschen hätten versucht, die Rebellengebiete über Korridore zu verlassen. Wegen der Gefechte und Scharfschützen sei das jedoch nicht möglich gewesen.
Regime und Rebellen machten sich gegenseitig für die neue Gewalt verantwortlich. Ein Sprecher der Rebellengruppe Nur al-Din al-Senki, Jasser al-Jussif, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Scharfschützen des Regimes hätten zunächst den Stadtteil Bustan al-Kasr und andere Gebiete beschossen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete hingegen, „Terrororganisationen“ hätten Bustan al-Kasr angegriffen.
Aleppo hatte in den vergangenen Wochen die heftigsten syrischen und russischen Luftangriffe seit Ausbruch des Konflikts im Frühjahr 2011 erlebt. In den belagerten Rebellengebieten im Osten der Stadt leben noch rund 250 000 Menschen. Sie leiden unter einem drastischen Mangel an Nahrungsmitteln, Trinkwasser und medizinischer Versorgung.
Die Waffenruhe soll Rebellen und Zivilisten nach russischen Angaben die Möglichkeit geben, Aleppos Rebellengebiete zu verlassen. Die Rebellen lehnen einen Abzug ab. Sie werfen Russland und Syrien vor, das Angebot gleiche einer Kapitulation. Für Zivilisten und humanitäre Hilfslieferungen fordern sie Korridore unter UN-Aufsicht
Kremlchef Wladimir Putin hatte nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande in Berlin erklärt, Russland sei unter Bedingungen zu einer Verlängerung der Waffenruhe bereit. Voraussetzung sei, dass auch die bewaffneten Gruppen einer Feuerpause zustimmten.