USA drängen Israel nicht mehr zu Siedlungsstopp

Tel Aviv/Washington/Ramallah (dpa) - Kehrtwende in der US-Politik: Seit zwei Monaten versuchte die US-Regierung, Israel zu einem neuen Siedlungsstopp zu bewegen. Aber selbst die Aussicht auf ein lukratives Hilfspaket half nicht.

Jetzt warten alle, ob die Obama-Regierung wenigstens einen „Plan B“ hat.

Eine Unterbrechung der Bauarbeiten von 90 Tagen galt als Voraussetzung für eine Fortsetzung der Friedensverhandlungen. Der Friedensprozess liegt damit auf Eis.

Die Entscheidung löste am Mittwoch Entsetzen in der arabischen Welt und große Sorge bei den westlichen Verbündeten aus. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor einer neuen Eiszeit im Nahen Osten. Die israelische Regierung teilte mit, sie fühle sich weiterhin den Bemühungen um einen historischen Frieden mit den Palästinensern verpflichtet.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einer „harten Krise“. Er hatte nach Angaben eines Sprechers während seines Besuchs in Griechenland einen Brief der US-Regierung erhalten.

Die Arabische Liga berief für Anfang nächster Woche eine Sitzung ihres Komitees für den Nahost-Friedensprozess auf Außenministerebene ein. Der Generalsekretär der Liga, Amre Mussa, sagte am Mittwoch in Kairo: „Die arabischen Staaten sind nicht bereit, den Schlüssel (zur Lösung) der Palästinenserfrage (dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin) Netanjahu zu übergeben.“

Westerwelle forderte Israel und die Palästinenser auf, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. „Wir dürfen nicht zurückfallen in die Phase der Sprachlosigkeit, sondern müssen die Verhandlungspartner am Tisch behalten.“ Der FDP-Vorsitzende fügte hinzu: „Wenn ein Fenster der Gelegenheiten erst wieder geschlossen ist, dann kostet es dreimal mehr Kraft, es erneut zu öffnen“. Zugleich sprach er sich dafür aus, die EU wieder stärker in die Nahost-Beratungen einzubinden.

Der US-Regierung war es in den vergangenen beiden Monaten nicht gelungen, im Siedlungsstreit zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verlangt als Vorbedingung für die Wiederaufnahme direkter Verhandlungen, dass Israel einen Baustopp in allen Siedlungen im Westjordanland sowie Ostjerusalem verhängt. Die rechte und siedlerfreundliche Mehrheit in der israelischen Regierungskoalition lehnt dies ab.

Wie es jetzt mit den Nahost-Friedensverhandlungen weitergeht, war zunächst unklar. US-Außenministerin Hillary Clinton werde möglicherweise an diesem Freitag in einer Rede vor dem Brookings- Institut einen neuen Vorschlag unterbreiten, schreibt die „New York Times“.

Israelische Kommentatoren rechnen damit, dass die US-Regierung jetzt wieder zu indirekten Friedensgesprächen zurückkehren will. Dabei pendelt ein US-Vermittler mit Fragen und Antworten zwischen Jerusalem und Ramallah.

Die US-Regierung wollte nach Medienberichten mit einem „lukrativen Paket“ aus diplomatischen Anreizen und militärischer Hilfe die Regierung in Jerusalem dazu bewegen, die Bauaktivitäten wenigstens für einen Zeitraum von drei Monaten ruhen zu lassen. Während dieser Zeit sollten Israel und die Palästinenser unter anderem über die Grenzen eines unabhängigen Palästinenserstaats verhandeln.

Obamas Regierung habe sich jetzt zu dem Schritt entschieden, weil auch eine 90-tägige Frist keine von den USA erhofften Fortschritte in Kernfragen erbracht hätte, berichtete die „New York Times“. „Es gab zu unterschiedliche Erwartungen über die Bedingungen eines Moratoriums, die zu besprechenden Themen während eines Moratoriums und was passieren soll, wenn das Moratorium ausläuft“, zitiert das Blatt einen ranghohen Regierungsmitarbeiter.

Die Palästinenserführung reagierte nach der Ankündigung des Kurswechsels verärgert. „Wenn die USA nicht einmal in der Lage sind, Israel zu einem befristeten Baustopp zu bewegen, um ernsthafte Verhandlungen zu führen, wie wollen die USA dann Israel dazu bringen, eine Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren?“ fragte der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Jassir Abed Rabbo. Der enge Vertraute des Palästinenserpräsidenten Abbas empfahl, die Palästinenser sollten um internationale Unterstützung für einen eigenen Staat werben.