USA tauschen Guantánamo-Häftlinge gegen gefangenen Soldaten aus
Washington (dpa) - Nach fast fünf Jahren in der Hand der Taliban ist ein junger amerikanischer Soldat frei. Die US-Regierung erreichte das durch einen spektakulären Gefangenenaustausch - und erntete dafür prompt Kritik von den Republikanern.
Die USA haben durch einen umstrittenen Gefangenenaustausch die Freilassung eines Soldaten aus langjähriger Taliban-Gefangenschaft erreicht. Der in Afghanistan stationierte 28-jährige Bowe Bergdahl war seit Juni 2009 in der Hand der Islamisten und wurde am Samstag in einer Geheimoperation an der afghanischen Grenze Mitgliedern einer US-Spezialeinheit übergeben.
Im Gegenzug flogen die USA fünf afghanische Häftlinge aus dem US-Lager Guantánamo Bay auf Kuba nach Katar, wo sie zunächst ein Jahr lang unter strikter Überwachung leben sollen.
In den USA wurde Bergdahls Freilassung zwar mit Jubel und Erleichterung aufgenommen, zugleich gab es aber scharfe Kritik der Republikaner an der Art und Weise, wie sie zustande kam. Namhafte Oppositionspolitiker warfen Präsident Barack Obama einen Gesetzesverstoß vor. Einige meinten, die Regierung habe Terroristen nun einen Anreiz gegeben, Amerikaner zu entführen.
Der Präsident selbst hatte am Samstag zunächst telefonisch die Eltern des Soldaten und dann die Öffentlichkeit in einer schriftlichen Erklärung über die Entwicklung informiert. Darin hieß es unter anderem, die Entwicklung sei eine Erinnerung an „Amerikas unerschütterliche Verpflichtung, keinen Mann oder keine Frau in Uniform auf dem Schlachtfeld zurückzulassen“.
Die USA hatten sich seit 2010 in Verhandlungen mit den Taliban um die Freilassung ihres einzigen Kriegsgefangenen bemüht. Die mehrfach unterbrochenen Gespräche gewannen dann in den vergangene Wochen an Schwung, so die „New York Times“.
Bergdahl hatte sich Ende Juni 2009 von seinem Stützpunkt in Afghanistan entfernt. Die Gründe dafür blieben bisher ein Rätsel. CNN zufolge hatte er sich in einer E-Mail, die er kurz vor seinem Verschwinden an seine Eltern verschickte, kritisch über den US-Militäreinsatz in Afghanistan geäußert. Die Taliban teilten dann mit, sie hätten den Soldaten gefangen genommen.
Die Übergabe erfolgte nach Medienberichten am Samstagabend an der östlichen Grenze Afghanistans. Mitglieder eines US-Spezialkommandos hätten eine Gruppe von Taliban getroffen, den Soldaten in Empfang genommen und dann per Helikopter in Sicherheit gebracht. Zur weiteren Betreuung wurde er am Sonntag vorübergehend nach Landstuhl in Rheinland-Pfalz gebracht.
Die Guantánamo-Gefangenen wurden am Samstag nach Doha geflogen. Sie befänden sich „im Gewahrsam und unter der Kontrolle“ Katars, sagte ein US-Regierungsbeamter. Ihre Bewegungsfreiheit sei eingeschränkt. Auch Obama versicherte, dass Katar die nötigen Maßnahmen treffen werde, damit die Ex-Häftlinge keine Gefahr mehr für die USA darstellen könnten.
Der „New York Times“ zufolge zählten die fünf Afghanen zu den ranghöchsten Militanten, die in Guantánamo Bay festgehalten wurden. Sie hätten ohne den „Deal“ zu den Letzten gehört, die aus dem Lager transferiert worden wären, hieß es in der Zeitung. So seien drei der Afghanen Kommandeure von Einheiten gewesen, die für den Tod Tausender Schiiten in Afghanistan vor dem Sturz der Taliban verantwortlich gemacht würden.
Die Taliban bestätigten die Freilassung des US-Soldaten. Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag, Aufständische hätten Bergdahl in den Distrikt Alischah in der Provinz Chost gebracht. Bergdahl habe ein Abschiedsgeschenk bekommen: „Der US-Soldat erhielt einen afghanischen Turban, der ein Symbol Afghanistans ist, als Geschenk der Mudschaheddin.“
Die fünf freigelassenen Taliban-Anführer würden von Vertretern des Führungsrates der Taliban in Empfang genommen. „Sie werden mit ihren Familien in Katar bleiben und ein normales Leben führen.“
Prominente Republikaner in Washington warnten, dass der Gefangenaustausch Folgen haben könne: „Unsere terroristischen Gegner haben jetzt einen starken Anreiz, Amerikaner gefangen zu nehmen“, hieß es in einer Erklärung der ranghöchsten Republikaner in den Streitkräfte-Ausschüssen von Senat und Abgeordnetenhaus, James Inhofe und Howard McKeon.
Sie beklagten, dass der Kongress erst nach dem erfolgtem Austausch informiert worden sei. Ein Gesetz schreibt vor, dass die zuständigen Ausschüsse jeweils mindestens 30 Tage vor einem Gefangenen-Transfer unterrichtet werden müssen.
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel verteidigte bei einem überraschenden Besuch am Sonntag auf dem US-Stützpunkt im afghanischen Bagram das Vorgehen. Die USA hätten Erkenntnisse gehabt, dass „Bergdahls Sicherheit und Gesundheit in Gefahr waren“, sagte er nach Angabe mitreisender Reporter. „Es war unsere Einschätzung, dass wir eine Möglichkeit finden könnten und sehr schnell handeln mussten; dass wir ihn da herausholen müssen, um sein Leben zu retten.“