OSZE-Team in Ukraine unter „Spionageverdacht“
Kiew/Washington (dpa) - Prorussische Separatisten erheben schwere Vorwürfe gegen die in der Ukraine festgesetzten OSZE-Beobachter. Moskau vermittelt - und zieht Teile seiner Truppen von der Grenze ab.
Russland hat nach Angaben der US-Regierung etwa zwei Drittel seiner Soldaten von der ukrainischen Grenze abgezogen. Dies seien erste Schritte, sagte die Sprecherin des Außenministeriums Jen Psaki in Washington. Nach Schätzungen der US-Regierung waren entlang der russisch-ukrainischen Grenze zeitweise an die 40 000 Soldaten postiert.
Erstmals seit knapp drei Monaten kommt an diesem Montag in Brüssel wieder der Nato-Russland-Rat zusammen. Thema ist die Ukraine. Die Nato hatte die Treffen wegen der Ukrainekrise ausgesetzt.
Die in der Ostukraine von Separatisten festgesetzten OSZE-Militärbeobachter blieben auch am Samstag verschollen. Separatistenführer Wladimir Rogow sagte, die vier seit Montag festgehaltenen Männer aus Dänemark, Estland, der Schweiz und der Türkei stünden unter „Spionageverdacht“. „Wir unterhalten ständigen Kontakt mit der OSZE-Mission. Sie weiß Bescheid, dass mit ihren Jungs alles okay ist“, sagte Rogow in Donezk.
Ein anderer Sprecher der Aktivisten betonte, möglicherweise würden die Beobachter gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen ausgetauscht. Ein weiteres Team mit vier Beobachtern und einem ukrainischen Übersetzer wird seit Donnerstag in der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik vermisst.
Russland führt nach eigenen Angaben im Fall der festgesetzten OSZE-Beobachter Gespräche mit den militanten Separatisten in der Ostukraine. „Die Freilassung zieht sich hin“, sagte Russlands OSZE-Botschafter Andrej Kelin am Samstag der Agentur Itar-Tass. Dauer und Ergebnis der Verhandlungen seien völlig offen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte am Samstagnachmittag keine neuen Informationen zum Verbleib der verschwundenen Beobachter.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen begrüßte den Teilrückzug der russischen Soldaten von der Grenze zur Ukraine. „Es gibt aber noch eine erhebliche Anzahl russischer Truppen, die aktiv werden könnten, wenn es dazu eine politische Entscheidung geben sollte“, warnte er.
US-Präsident Barack Obama trifft im Rahmen eines Europa-Besuches am kommenden Mittwoch in Warschau mit dem neu gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zusammen. Es sei wichtig für Obama, Poroschenko in direktem Kontakt zu versichern, dass die USA dem ukrainischen Volk verpflichtet seien, teilte das Weiße Haus mit.
Die russische Tageszeitung „Kommersant“ schrieb unter Berufung auf die OSZE, das Mandat des deutschen OSZE-Ukraine-Beauftragten Wolfgang Ischinger sei mit der ukrainischen Präsidentenwahl am 25. Mai abgelaufen. Ischinger hatte nach seiner Ernennung im Mai dreimal den Runden Tisch zur nationalen Einheit moderiert.
Das russische Außenministerium sprach sich für eine Fortsetzung dieser Dialogrunden aus. Dabei sollten alle politischen Kräfte und alle Regionen des Landes vertreten sein, unterstrich ein Sprecher des Außenamtes in Moskau. Er forderte die Führung in Kiew erneut zum sofortigen Ende des „Anti-Terror-Einsatzes“ gegen Separatisten auf.
Im Zentrum neuer Gefechte zwischen ukrainischen Sicherheitskräften und Separatisten stand am Samstag erneut die Stadt Slawjansk im Osten der Ukraine. Hier seien beim nächtlichen Vorrücken von Regierungseinheiten zwei Zivilisten erschossen und vier verletzt worden, sagte ein Sprecher der militanten Aktivisten. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.
Der Republikchef der russischen Konfliktregion Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, wies Berichte zurück, in der Ukraine würden Kämpfer aus der Kaukasusregion offiziell an der Seite der Separatisten kämpfen. „Ich kann nicht ausschließen, dass dort tschetschenische Freiwillige kämpfen, aber die Berichte über eine tschetschenische Sondereinheit sind absolut unwahr“, betonte Kadyrow der Agentur Interfax zufolge.
Am Montag werden in Brüssel die Verhandlungen zur Beilegung des Gasstreits zwischen Moskau und Kiew fortgesetzt. EU-Energiekommissar Günther Oettinger äußerte sich zuversichtlich, dass der milliardenschwere Gasstreit in der nächsten Woche beigelegt werden kann. „Ich sehe eine gute Chance, dass wir zu normalen Lieferbeziehungen kommen“, sagte Oettinger der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.