Vitali Klitschko reist 30 000 Kilometer für mehr Demokratie
Am 28. Oktober stimmen die Ukrainer über ein neues Parlament ab. „Dr. Eisenfaust“ kämpft für die Opposition im Land.
Kiew. Seine berühmten Fäuste schwingt Boxweltmeister Vitali Klitschko alias „Dr. Eisenfaust“ nun im ukrainischen Wahlkampf. Mit harten Worten kritisiert der 41-Jährige ein Klima der Diktatur und Einschüchterung in der Ex-Sowjetrepublik. Schuld daran sei Präsident Viktor Janukowitsch, attackiert er den politischen Gegner. Doch auch nach der umstrittenen Inhaftierung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko können sich Regierungsgegner in der Ukraine vergleichsweise frei bewegen.
Klitschko bringt zu Auftritten seiner Partei Udar („Schlag“) oft Tausende Zuhörer zusammen. An diesem Herbsttag stehen vier Kundgebungen an, der Höhepunkt soll abends in der Gebietshauptstadt steigen. Meist erhält er Applaus, manchmal wollen die Leute nur ein gemeinsames Foto mit ihrem berühmten Landsmann. „Ich kämpfe für eine demokratische Ukraine“, betont Klitschko bei jedem Auftritt. Vor der Wahl am 28. Oktober liegt Udar in Umfragen auf dem zweiten Platz.
Mit „fünf Schlägen“ wolle er das Leben der 46 Millionen Ukrainer verbessern, sagt der Boxer in Schpola rund 200 Kilometer südlich von Kiew. „Wir brauchen Korruptionsbekämpfung und mehr Mitbestimmung für die Bürger. Ebenso gleiche Chancen für alle, lokale Selbstverwaltung und europäische Lebensstandards“, ruft Klitschko den etwa 300 Zuhörern zu. Einige nicken, viele schauen aber skeptisch. Zu oft schon haben sie schöne Reden gehört, ohne dass sich ihr Leben verbesserte.
Klitschko redet über die fehlenden Perspektiven der Jugend, die schlechte medizinische Versorgung und über Arbeitslosigkeit — ein zentrales Thema hier in Schpola. Viele der 18 000 Einwohner sind nach der Schließung der örtlichen Textil- und Brotfabriken erwerbslos.
Klitschko spricht eine halbe Stunde, dann wandert das Mikrofon an die Menge. „Was machen Sie mit abtrünnigen Abgeordneten?“, will eine Frau wissen. Der Kandidat schwingt demonstrativ seine Faust. „Sie können sich nicht vorstellen, was ich mit ihnen machen werde“, sagt Klitschko. Die Menschen lachen. Nur zu gern würden sie sehen, wie der berühmte Boxer ungeliebten Abgeordneten eine Tracht Prügel verpasst.
Klitschko hat bei seinem Auftritt das mehrheitlich junge Publikum offenbar überzeugt. Wladimir Jurtschenko wird ihn „auf jedem Fall“ wählen. „Alles muss anders werden, so kann man nicht mehr leben“, sagt der 35-jährige Systemadministrator. Die 23-jährige Viktoria Dantschuk hofft als Alleinerziehende auf ein Ende der Korruption. „Überall muss ich Bestechungsgeld zahlen — im Kindergarten, in der Schule, sogar auf der Entbindungsstation“, klagt sie. Klitschko könne dies ändern, sagt die Mutter des eineinhalb Jahre alten Denis.
Das Sportidol und sein Wahlkampfteam fahren unterdessen los — drei weitere Termine warten. Rund 600 Kilometer wird der Boxer allein an diesem Tag absolvieren. Wenn am 28. Oktober im zweitgrößten Flächenstaat Europas die Wahllokale öffnen, wird er im Kampf um Stimmen weit mehr als 30 000 Kilometer zurückgelegt haben.