Waffenlieferungen an Syrien entzweien Russland und den Westen

Washington/Moskau/Istanbul (dpa) - Russlands umstrittene Waffenlieferungen an das Regime in Syrien haben einen handfesten Streit mit dem Westen ausgelöst.

US-Außenminister John Kerry warnte nach einem Treffen mit seinem deutschen Kollegen Guido Westerwelle (FDP) am Freitag in Washington vor zutiefst negativen Auswirkungen auf die Stabilität der gesamten Region.

Westerwelle appellierte an die Russen, die geplante neue Friedenskonferenz in Genf „nicht zu gefährden“. Er bezeichnete Waffenlieferungen an das Assad-Regime als „vollkommen falsch“. Insbesondere Israel sieht sich gefährdet.

Die EU verlängerte am Freitag die meisten ihrer Sanktionen gegen Syrien um ein Jahr. Lediglich das Waffenembargo wird aufgehoben. Die 27 Mitgliedsstaaten bestätigten damit förmlich einen Beschluss ihrer Außenminister vom Montag.

Die Waffenlieferungen an das Regime von Präsident Baschar al-Assad wurden in Moskau als direkte Antwort auf die formelle Beendigung des EU-Waffenembargos gewertet. Mit dem Verkauf der Maschinen des Typs MiG-29 M/M2 werde ein Vertrag erfüllt, sagte MiG-Generaldirektor Sergej Korotkow am Freitag der Agentur Interfax zufolge. Darüber hinaus hat Moskau dem syrischen Verbündeten Flugabwehrsysteme des Typs S-300 PMU-2 (Nato-Code SA-20B) sowie Schiffsabwehrraketen des Typs P-800 Jachont (Nato-Code SS-N-26 Strobile) zugesagt.

Das Flugabwehr-Raketensystem S-300 zerstört mit präziser Lenktechnik gegnerische Flugzeuge oder Raketen in einem Radius von bis zu 200 Kilometern. Die syrische Armee könnte damit einen Großteil des israelischen Luftraumes erfassen. Die Raketensysteme würden auch einen möglichen Einsatz des Westens zur Durchsetzung einer Flugverbotszone in Syrien gefährden. Die Schiffsabwehrraketen könnten sich gegen eine Seeblockade Syriens richten.

Der genaue Termin für die Übergabe der Flugabwehrraketen stehe aber noch nicht fest, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Rüstungskreise. „Was die S-300 betrifft, so können die Lieferungen nicht vor Herbst beginnen.“ Vieles hänge von der Entwicklung des Konflikts und der Lage in der Region sowie von der Haltung des Westens ab, hieß es.

Syrien hat vier Systeme bestellt. „Für den völligen Schutz des syrischen Territoriums vor einem Luftangriff sind mindestens zehn S-300 erforderlich“, sagte der ehemalige Oberbefehlshaber der russischen Luftstreitkräfte, Armeegeneral Anatoli Kornukow. Deutschland wertet Moskaus Rolle bei der geplanten Syrienkonferenz positiv. Hier zeige die russische Regierung eine „gute Initiative“, um ein baldiges Ende der Gewalt herbeizuführen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Trotz der bisherigen Absage der syrischen Opposition setzt auch die EU weiter auf einen Erfolg der geplanten Friedenskonferenz in Genf. „Wir hoffen, dass sowohl die Opposition als auch die Regierung an der Konferenz teilnehmen, weil es für uns der einzige Weg ist, eine friedliche und politische Lösung zu erreichen„, sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag.

Erklärtes Ziel der Friedenskonferenz muss nach Einschätzung des französischen Präsidenten François Hollande die Absetzung Assads sein. Wenn es diese Vorgabe nicht gebe, könne die Opposition kaum einen Friedensprozess akzeptieren, sagte Hollande am Freitag in einem Interview der französischen Auslandsender France 24, RFI und TV5 Monde.

Syrische Oppositionelle wollen die Friedenskonferenz in Genf boykottieren, falls ihre Bedingungen nicht erfüllt werden. Dazu gehört der Abzug der libanesischen Hisbollah-Miliz und iranischer Kämpfer aus Syrien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt über die Lage im SOS-Kinderdorf bei Damaskus. Es gebe Befürchtungen, dass es ins Kreuzfeuer der Konfliktparteien geraten könne, sagte sie beim Jahresempfang der Kinderhilfsorganisation im vorpommerschen Grimmen.

Der UN-Sicherheitsrat setzte am Freitag die islamistische syrische Rebellenbrigade Al-Nusra-Front wegen ihrer Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida auf seine Sanktionsliste.

Als Folge des Bürgerkrieges in Syrien fällt im Libanon die für Juni geplante Parlamentswahl aus. Das libanesische Parlament beschloss am Freitag eine Verlängerung der Legislaturperiode um 17 Monate. Der Krieg im Nachbarland Syrien, an dem die Hisbollah beteiligt ist, hat die Gräben zwischen den Parteien vertieft.