Neuer Verteidigungsminister, alte Probleme Was ist mit den Leopard-Panzern? Pistorius hat keine richtig gute Antwort

Ramstein · Seit Monaten wird über die Unterstützung der Ukraine mit Leopard-Panzern diskutiert. Ob überhaupt welche lieferbar sind, hat in der Bundesregierung aber offensichtlich bisher noch niemanden interessiert. Der neue Verteidigungsminister muss es nun ausbaden.

Ramstein: Boris Pistorius (SPD), deutscher Verteidigungsminister, gibt bei der Ukraine-Konferenz auf der US-Airbase Ramstein ein Statement ab.

Foto: dpa/Hannes P Albert

Es ist eine erste Feuerprobe unter erschwerten Einsatzbedingungen für den neuen Verteidigungsminister. Die 50 Journalisten aus aller Welt, denen er vor der Offiziersmesse Lincoln Boulevard auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein Rede und Antwort stehen muss, sind deutlich besser ausgerüstet als er. „Sie stehen in Jacke da, ich nicht. Mein Mantel ist irgendwie abhanden gekommen“, sagt er bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Das Jackett muss reichen.

Es ist die erste Pressekonferenz für Pistorius nach seiner Vereidigung im Bundestag vor nur 29 Stunden. Nicht nur die deutschen Medien interessieren sich für den Neuen im Kreis der westlichen Verbündeten, sondern auch die aus den USA, Polen, Skandinavien. Und alle wollen nur eines wissen: Was ist nun mit den Leopard-2-Panzern?

Mit einer Bestandsprüfung „vor die Lage kommen“

Das Problem für Pistorius: Er hat keine richtig gute Antwort. Deswegen zählt er erstmal auf, welche Waffenlieferungen Deutschland sonst so in der Pipeline hat: Patriot-Raketensysteme, Gepard-Flakpanzer, Iris-T-Flugabwehr. „Nun sind Sie aber nicht hier vermutlich, um all das zu hören“, sagt er dann. Kurze Pause. Dann kommt Pistorius zu dem Thema, das alle interessiert.

Es werde nun erstmal geprüft, ob es in Deutschland überhaupt lieferbare Leopard-2-Panzer gibt und wenn ja wie viele. Er habe am Freitagmorgen Mitarbeitern den Auftrag erteilt, die Bestände der Bundeswehr und der Industrie zu überprüfen. Damit wolle man nun „vor die Lage“ kommen, für den Fall, dass die politische Entscheidung für eine Lieferung getroffen wird, sagt Pistorius. Wann wird das sein? „So bald wie möglich.“

Der Verteidigungsminister beantwortet tapfer die Fragen der verwunderten Journalisten, obwohl er nicht für das verantwortlich ist, was er da erklären muss. Hätte man nicht vorher drauf kommen können, den Bestand zu prüfen? „Ich bin 24 Stunden im Amt, viel schneller kann man solche Entscheidungen glaube ich nicht treffen“, sagt er nur.

Pistorius hat das Panzer-Problem geerbt - von seiner Vorgängerin Christine Lambrecht und vor allem von seinem Chef Olaf Scholz (beide SPD). Der Kanzler konnte sich noch nicht zu einer Entscheidung durchringen. Und offenbar hat er sich - wie schon zuvor bei den Marder-Schützenpanzern - auch nicht darauf vorbereitet, dass eine Entscheidung fällig werden könnte. Und das, obwohl er mit der Frage schon vor fast einem Jahr das erste Mal konfrontiert wurde.

Erste offizielle Bitte um Kampfpanzer eine Woche nach Kriegsbeginn

An Tag 8 des russischen Angriffskriegs, dem 3. März 2022, schickte die ukrainische Botschaft eine sogenannte Verbalnote an das Kanzleramt, das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium, die eine Wunschliste mit fast 30 Waffensystemen enthielt. An erster Stelle: Kampfpanzer.

Die Bundesregierung hatte zu diesem Zeitpunkt Panzerfäuste, Stinger-Raketen und gepanzerte Fahrzeuge zugesagt. An die Lieferung von schweren Waffen dachte damals aber noch niemand. Das änderte sich in den folgenden Monaten zwar radikal. Erst wurden Gepard-Flakpanzer zugesagt, dann die Panzerhaubitze 2000, Mehrfachraketenwerfer und Flugabwehrgeschütze. Aber ein Waffensystem fehlt bis heute: Der Leopard 2, einer der schlagkräftigsten Kampfpanzer der Welt.

Selenskyj: „Ihr seid doch erwachsene Leute“

In den vergangenen Wochen stieg der Druck auf Scholz massiv. Vor dem Treffen in Ramstein flehte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Bundeskanzler Scholz geradezu an, die Panzer zu liefern. „Ihr seid doch erwachsene Leute. Sie können gerne noch sechs Monate lang so reden, aber bei uns sterben Menschen - jeden Tag“, sagte er in einem ARD-Interview. „Im Klartext: Kannst du Leoparden liefern oder nicht? Dann gib' sie her!“

Die Ukraine benötigt die Kampfpanzer dringender denn je, weil die Lage an der Front seit Wochen festgefahren ist. Der Verlauf verschiebt sich trotz heftiger Kämpfe kaum noch. Panzer können der Ukraine helfen, feindliche Stellungen zu durchbrechen und weitere besetzte Gebiete zurückzugewinnen. Außerdem gibt es Befürchtungen, dass der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits im Frühjahr eine Großoffensive starten könnte, der die Ukraine etwas entgegensetzen will.

Die Checkliste des Kanzlers für Waffenlieferungen

Für den Kanzler gelten bei den Waffenlieferungen drei Prinzipien: 1. Die Ukraine muss entschlossen unterstützt werden. 2. Deutschland und die Nato dürfen nicht in den Krieg hineingezogen werden. 3. Es darf keine Alleingänge geben. Vor allem beim zweiten Kriterium sieht sich Scholz in Übereinstimmung mit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Schon in einer frühen Phase des Krieges hat er vor einem Atomkrieg gewarnt. Andererseits sieht Putin die Nato wegen der bisherigen Waffenlieferungen ohnehin schon längst als Kriegspartei. Und es stellt sich die Frage: Will man sich von russischen Drohungen einschüchtern lassen? Fakt ist, dass auch die Lieferung von Leopard-Panzern Deutschland und seine Verbündeten völkerrechtlich nicht zur Kriegspartei machen würde.

Polen und Finnland wollen liefern

Das Argument „keine Alleingänge“ zieht im Fall der Kampfpanzer jedenfalls nicht mehr. Großbritannien hat bereits die Lieferung solcher Panzer vom Typ Challenger 2 angekündigt. Polen und Finnland wollen Leopard-2-Panzer in die Ukraine schicken. Auch andere europäische Länder wie Schweden oder Spanien sympathisieren damit. Spätestens jetzt zeigt sich, dass für Scholz nur ein Verbündeter entscheidend ist: die USA. Immer wenn es darum ging, bei den Waffenlieferungen etwas qualitativ Neues zu machen, entschied Scholz nicht ohne die USA. Das war bei den Mehrfachraketenwerfern so, bei Patriot-Flugabwehrsystemen und zuletzt bei den Schützenpanzern.

Auch Biden zögert

In der Frage der Kampfpanzer ist US-Präsident Joe Biden nun aber ähnlich zögerlich wie Scholz. Allerdings aus anderen Gründen. Die Amerikaner haben zwar grundsätzlich nichts gegen die Lieferung von Kampfpanzern einzuwenden, halten aber die Bereitstellung ihrer eigenen M1 Abrams aus praktischen Gründen nicht für sinnvoll. Die US-Panzer müssten erst über den Atlantik transportiert werden, die Instandhaltung sei aufwendiger und sie verbrauchten zu viel Treibstoff.

Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kündigte in Ramstein deswegen keine Kampfpanzer-Lieferung an. Die Entscheidung werden nun wohl Scholz und Biden unter sich ausmachen.

(dpa)