Weg frei für Absetzung von Rousseff
Brasília (dpa) - Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (68) steht unmittelbar vor ihrer Suspendierung. Nach turbulentem Hin und Her gab es heute die wohl entscheidende Wendung.
Der Interimspräsident des Parlaments, Waldir Maranhão, widerrief seine Entscheidung vom Vortag, das Votum der Abgeordneten für eine Amtsenthebung Rousseffs zu annullieren. Jetzt wird der Senat, die zweite Parlamentskammer, an diesem Mittwoch abstimmen, ob sie für 180 Tage suspendiert wird.
Die notwendige Mehrheit von 41 der 81 Senatoren dürfte allen Prognosen zufolge deutlich erreicht werden. Zuvor hatte die Abgeordnetenkammer bereits im April mit Zweidrittelmehrheit den Weg für das Amtsenthebungsverfahren frei gemacht. Rousseff werden verzögerte Geldtransfers an Staatsbanken für Sozialprogramme vorgeworfen, um das Haushaltsdefizit in einem etwas besseren Licht erscheinen zu lassen. Sie spricht von einem „Putsch“ der Gegner.
Im Herbst könnte Rousseff endgültig abgesetzt werden. Zwar reichte die Regierung am Dienstag beim Obersten Gerichtshof Klage ein, um die Suspendierung quasi in letzter Minute noch abzuwenden. Es war jedoch unklar, ob dieser Einspruch noch etwas bewirken kann. Er richtet sich primär gegen den wegen der Behinderung von Korruptionsermittlungen abgesetzten Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha. Dieser hatte mit Tricks und Parteinahme das Amtsenthebungsverfahren im Abgeordnetenhaus gesteuert und auch die entscheidende Sitzung im April geleitet.
Cunhas Interimsnachfolger Maranhão hatte das Votum am Montag zunächst völlig überraschend annulliert. Seine Partido Progressista (PP) drohte ihm nach seiner eigenmächtigen Entscheidung mit dem Rauswurf. Spekuliert wurde, dass dies der maßgebliche Grund für seinen Sinneswandel sein dürfte.
Vizepräsident Michel Temer will im Falle einer Suspendierung sofort Rousseffs Amtsgeschäfte übernehmen. Er will ein Kabinett ohne ihre seit 2003 regierende linke Arbeiterpartei bilden. Temers Partei, die PMDB, der auch Cunha angehört, hat mit Rousseff gebrochen. Temer will eine Privatisierungswelle und Wirtschaftsreformen einleiten.
Bisher gab es solch ein Verfahren in Brasilien erst einmal. 1992 wurde Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen für 180 Tage suspendiert - und trat Ende des Jahres schließlich selbst zurück.
Das fünftgrößte Land der Welt ist mit einer der weitreichendsten Regierungskrisen seit dem Übergang zur Demokratie 1985 konfrontiert. Und das in einer Phase, wo das Land sich parallel in der schwersten Rezession seit den 1930er Jahren befindet - über elf Millionen Menschen sind arbeitslos. Temer will aus Spargründen auch die Zahl von derzeit noch 31 Ministerien deutlich verringern. Er würde ferner auch die Olympischen Spiele am 5. August in Rio de Janeiro eröffnen.