Wegen Hilfsflotte: Streit Türkei-Israel eskaliert
Istanbul/Tel Aviv/New York (dpa) - Der seit Monaten schwelende Streit um den israelischen Angriff auf eine türkische Gaza-Hilfsflotte ist eskaliert.
Die Türkei wies am Freitag den israelischen Botschafter aus und legte alle Militärabkommen mit Israel auf Eis. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül drohte mit weiteren Schritten. Israel bedauerte die Entwicklung.
Israels Botschafter in Ankara, Gabi Levy, hält sich nach israelischen Medienberichten derzeit in seiner Heimat auf. Nach der Ausweisung kann er nicht mehr in die türkische Hauptstadt zurück.
Nur Stunden vor der Entscheidung war ein für Ankara unangenehmer UN-Untersuchungsbericht zur blutigen Erstürmung des türkischen Schiffes „Mavi Marmara“ mit neun Toten vor 15 Monaten durchgesickert. Darin wird Israels Position in wesentlichen Punkten gerechtfertigt. Ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter sagte, Israel „akzeptiere“ den Bericht. Zugleich betonte der Sprecher, der ungenannt bleiben wollte, die israelische Regierung habe sich um eine Entschärfung des Konflikts bemüht. „Leider hatten wir keinen Erfolg.“
Israelische Militärs hatten die „Mavi Marmara“, die zusammen mit anderen Schiffen Israels Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen und 10 000 Tonnen Hilfsgüter zu den Palästinensern bringen sollte, am 31. Mai 2010 von Kommandobooten und Hubschraubern aus angegriffen. Dabei wurden neun Aktivisten getötet mehr als 50 Menschen verletzt.
Die US-Zeitung „New York Times“ hatte in der Nacht zum Freitag einen schon vor längerer Zeit fertiggestellten, 105 Seiten langen UN-Untersuchungsbericht im Internet veröffentlicht. Darin wird die Seeblockade Israels vor dem Gazastreifen als legal bezeichnet. Den israelischen Soldaten wird bescheinigt, dass sie sich gegen „organisierten und gewalttätigen Widerstand einer Gruppe von Passagieren“ verteidigen durften. Dabei sei aber exzessiv Gewalt angewendet worden. Der Verlust an Menschenleben sei „inakzeptabel“.
Der Türkei hingegen wird vorgehalten, sie habe zunächst zwar versucht, die Organisatoren der Flotille von ihrem Plan abzubringen, aber letztlich nicht genug dafür getan. Einem Teil der Blockadebrecher wird in dem Bericht vorgeworfen, es „hätten sich ernsthafte Fragen über ihr Verhalten sowie über ihre wahren Absichten und Ziele“ ergeben.
Die Türkei hatte noch am Donnerstag gedroht, einen nicht weiter erläuterten „Plan B“ umzusetzen, falls Israel weiterhin eine Entschuldigung verweigere. Dieser Plan sah offensichtlich die Ausweisung des israelischen Botschafters vor.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine offizielle Entschuldigung ab, allerdings hat er sein Bedauern über den Verlust an Menschenleben ausgesprochen.
Die Türkei, die ihren Botschafter gleich nach der israelischen Militäraktion gegen die Blockadebrecher am 31. Mai vergangenen Jahres nach Ankara zurückberufen hatte, stufte auch das Niveau ihrer diplomatischen Vertretung in Israel weiter herunter. Ankara werde dort nur noch mit einem Zweiten Sekretär vertreten sein. Zugleich würden alle Militärabkommen mit Israel ausgesetzt, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu vor Journalisten weiter.
Auch die bisher guten wirtschaftlichen Beziehungen dürften leiden. Israel muss mit dem Ausfall millionenschwerer Aufträge aus der Türkei rechnen. Allerdings verzeichnet auch die Türkei finanzielle Einbußen, weil die Zahl der Touristen aus Israel drastisch zurückgegangen ist.